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Von Guido Berg und Juliane Wedemeyer: Keine Zahlen, aber einen Plan

Sacrow-Paretzer Kanal: Wasserstraßen-Neubauamt führt keine Statistik über Schiffsverkehr Städte Schwedt und Eberswalde fordern Potsdam auf, die Klage gegen den Ausbau zurückzuziehen

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Für die Vergrößerung des Sacrow-Paretzer Kanals fehlt dem Wasserstraßen-Neubauamt offenbar die Grundlage: „Wie viele Schiffe dort fahren, können wir nicht sagen“, erklärte Rolf Dietrich, der Chef des Wasserstraßen-Neubauamts, auf PNN-Anfrage. Eine Statistik existiere nicht. Trotzdem plant das Amt, den Kanal ab 2009 auf einer Strecke von fast 13 Kilometern für größere Schiffe auszubauen. Der Ausbau des Kanals, der auch durch den Norden Potsdams fließt, soll rund 65 Millionen Euro kosten. Er ist Teil des Verkehrsprojekts „Deutsche Einheit Nummer 17“, das die Schifffahrt zwischen dem Ruhrgebiet und Berlin erleichtern soll. Die Stadt Potsdam klagt wie berichtet beim Bundesverwaltungsgericht dagegen – aus Sorge um das Weltkulturerbe der Havellandschaft.

Warum das Amt den Schiffsverkehr auf dem Kanal nicht erfasst, erklärt Dietrich so: „Wir müssten jemanden ans Kanalufer stellen, der die Schiffe zählt.“ Und dazu sehe man keine Veranlassung. Für die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme spiele das ohnehin keine Rolle. Denn von den Baukosten würden nur rund fünf Prozent in die Verbreiterung fließen. Den Großteil der Summe würde das Amt verwenden, um den vor mehr als 100 Jahren erbauten Kanal instand zu setzen. „100 Jahre soll er dann wieder halten“, sagte Dietrich.

„Wir brauchen ihn als Wasserstraße zum Berliner Westhafen, zum Teltowkanal Richtung Eisenhüttenstadt und zur Havel-Oder-Wasserstraße Richtung Stettin“, lautet eines der wichtigsten Argumente für den Ausbau aus dem Wasserstraßen-Neubauamt. Und: Wenn es bessere Wasserwege gäbe, würden sie auch mehr Binnenschiffer nutzen.

Dietrich schätzt, dass pro Jahr rund 8000 bis 10 000 Güterschiffe und Schubverbände den Kanal nutzen. 2007 allerdings passierten laut einer Statistik der Wasser- und Schifffahrtsdirektion gerade einmal 9236 Frachtschiffe die Schleuse in der Stadt Brandenburg westlich des Kanals. Bekannt ist, dass ein Großteil dieser Schiffe nicht in den Sacrow-Paretzer-, sondern in den Havelkanal einbiegt.

Die Wirtschaftlichkeit des Kanalausbaus bezweifelt auch eine aktuelle Studie der Technischen Universität Hamburg-Harburg: Das Güteraufkommen der Binnenschiffer von 1997 bis 2006 in Brandenburg sei um 31 Prozent, in Berlin um 53 Prozent zurückgegangen. Es mache keinen Sinn, an den Ausbauplänen festzuhalten, resümierte Studienleiterin Heike Flämig. Dagegen wendet Rolf Dietrich ein, dass der Güterumschlag in den Berliner Häfen seit 2003 um 30 Prozent gestiegen sei, in Brandenburg um 17 Prozent.

Umweltverbände kritisieren, dass die geplante Vertiefung des Kanals den Wasserhaushalt in der Region durcheinanderbringen könnte. Zudem müssten 800 Bäume gefällt werden. Mit dem Umweltschutz argumentieren allerdings auch die Ausbau-Befürworter: „Ein Schiff könnte mit viel weniger Energie viel mehr transportieren als Lkws“, sagt Dietrich.

Für den Ausbau sprechen sich auch die Bürgermeister von Schwedt und Eberswalde aus. Sie haben Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs jetzt in einem Brief aufgefordert:„Nehmen Sie die Klage zurück!“ Beide Städte hätten „enorme Anstrengungen“ unternommen, um an das europäische Wasserstraßennetz angeschlossen zu werden. Die Binnenschifffahrt sei preiswert, sicher, abgasarm und lärmfrei. „Einzelaktionen, die nicht mit den direkt betroffenen Partnern abgestimmt sind“, seien „sicher nicht der Weg, der uns in Brandenburg voranbringt“. Für die „Probleme hinsichtlich der Wasserhaltung“ hätten sie aber „Verständnis“. Die Potsdamer Verwaltung will aber bei der Klage bleiben.

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