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Streitfall Garnisonkirche: In der Breiten Straße soll der 1968 gesprengte Barockbau wiedererrichtet werden. Die Debatte darüber hält unvermindert an.

© M. Thomas

Nach der Sondersitzug zur Garnisonkirche: Keiner will aufgeben

Nach dem angenommenen Bürgerbegehren zur Garnisonkirche positionieren sich Gegner und Befürworter. Wie es jetzt weitergeht? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Stand:

Entschieden unentschieden – so hat sich das Stadtparlament am Mittwoch bei der Abstimmung über das Bürgerbegehren zur Auflösung der Garnisonkirchenstiftung verhalten. 28 der 39 anwesenden Stadtverordneten enthielten sich, darunter die komplette Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und den Potsdamer Demokraten. Mit den Stimmen der Linken wurde das Bürgerbegehren der Gegner schließlich angenommen. Was heißt das für das Projekt Garnisonkirche? Wie geht es weiter? Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen.

Darf die Garnisonkirche jetzt überhaupt noch gebaut werden?

Rein rechtlich: Ja. Denn die Baugenehmigung für die Garnisonkirchenstiftung gilt nach wie vor. Sobald die Stiftung das Geld zusammenhat, kann sie bauen. Das Bürgerbegehren zielte nicht auf das Projekt selbst, sondern auf die Auflösung der Garnisonkirchenstiftung. Eine Sinn-Frage zum Wiederaufbau wäre laut Kommunalverfassung nicht möglich gewesen, weil Bürgerbegehren nur zu Fragen durchgeführt werden können, bei denen die Kommune tatsächlich mitentscheiden kann.

Waren die 14 285 Unterschriften für das Bürgerbegehren umsonst?

Nein. Einerseits muss das von den Unterzeichnern geforderte Anliegen umgesetzt werden – so hat es das Parlament beschlossen. Andererseits hat das Bürgerbegehren bei vielen Befürwortern der Garnisonkirche für ein Umdenken gesorgt, wie Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gegenüber den PNN einräumte: „Es hat damit ein Nachdenken eingesetzt, dass man innerhalb der Stadt mehr um die Akzeptanz der Bürger werben muss, statt den Fokus vor allem auf Spendenwerbung zu legen.“ Das erklärte Ziel der Gegner, alle Potsdamer im Bürgerentscheid abstimmen zu lassen, wurde aber verfehlt – dafür hätte das Parlament das Begehren ablehnen müssen. Die Bürgerinitiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ sieht trotzdem wesentliche Ziele erreicht: Die deutlich gewordene Ablehnung halte potenzielle Spender ab, den Wiederaufbau zu unterstützen, so Sprecher Simon Wohlfahrt.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Stadt muss prüfen, welche Möglichkeiten sie hat, die Stiftung aufzulösen – und diese dann nutzen. Die Verwaltung schätzt die Chancen auf Erfolg gering ein. Ihr Hauptargument: Die Stadt hat im elfköpfigen Kuratorium der Stiftung nur einen Sitz und damit keine Mehrheit. Auch Stiftungsexperte Hans Fleisch, der Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, sieht nach Durchsicht der Satzung der Garnisonkirchenstiftung keine Chance auf eine Auflösung – selbst wenn die Stadt im Kuratorium eine Mehrheit überzeugen könnte, sei eine Selbstauflösung stiftungsrechtlich nicht ohne Weiteres möglich, so Fleisch.

Wie positionieren sich die Garnisonkirchenbefürworter nach der Abstimmung?

Die Fördergesellschaft für die Garnisonkirche hält weiterhin am Ziel des originalgetreuen Wiederaufbaus fest, wie Sprecherin Friederike Schuppan am Donnerstag auf PNN-Anfrage sagte. „Mit dem originalgetreuen Äußeren der Garnisonkirche, die eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands war, kann das Anliegen, für Frieden und Versöhnung einzutreten und zu einem Lernort der deutschen Geschichte zu werden, sehr gut vermittelt werden.“ Man respektiere das Votum der Stadtverordneten und begrüße den Ruf nach mehr Beteiligung von Potsdamern an der Diskussion. Man werde „in den nächsten Wochen“ prüfen, wie man auch mit Kritikern ins Gespräch kommen könne. Barbara Kuster, Sprecherin der Bürgerinitiative „Mitteschön“, bedauerte den gescheiterten Bürgerentscheid: „Ich persönlich hätte mir eine Umfrage gewünscht, um Klarheit zu schaffen.“

Wie wollen die Gegner weiter vorgehen?

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben die Evangelische Kirche aufgefordert, den geplanten Wiederaufbau zu stoppen. Das Projekt sei politisch gescheitert, sagte Simon Wohlfahrt, Sprecher der Initiative, am Donnerstag. „Wie kann man einen Ort der Versöhnung schaffen wollen, gegen den es so viel Widerstand gibt“, sagte Wohlfahrt. Lutz Boede (Die Andere) hatte bereits „stärkere Zeichen“ angekündigt, sollte die Kirche nicht auf die Forderung eingehen.

Wie stehen die Chancen für eine Bürgerbefragung zur Garnisonkirche?

Ausschließen will das in der Rathauskooperation auf PNN-Anfrage keiner mehr. Nach dem Votum könne man bei dem Projekt „nicht so weitermachen wie bisher“, hat SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs bereits eingeräumt. SPD-Fraktionschef Mike Schubert plädierte am Donnerstag für eine fraktionsübergreifende Verständigung über das weitere Vorgehen – gemeinsam mit der Stiftung. CDU-Fraktionschef Matthias Finken sieht zwar einerseits die Stiftung in der Pflicht, über das Projekt nun „mit allen Teilen der Bevölkerung“ ins Gespräch zu kommen. Aber auch die Politik müsse reagieren. Denkbar sei ein Werkstattverfahren, aber auch eine Bürgerbefragung. „Aber nicht in der aufgeheizten Atmosphäre, die wir jetzt haben.“ Finken plädiert für eine gute Vorbereitung. „Es besteht keine Eile, das jetzt übers Knie zu brechen.“ Auch Grünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke will einen „breiten sachlichen Diskurs zum Konzept und zu einem architektonischen Zeichen“. Wenn es eine sinnvolle Fragestellung gibt, „dann werden wir sie an alle in Potsdam richten“. (mit dpa/HK)

HINTERGRUND

(01.08.14)

DIE AUSGANGSLAGE

14 285 Potsdamer haben das Bürgerbegehren der Initiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ unterzeichnet. Ziel der Initiative war es, zur Landtagswahl am 14. September einen Bürgerentscheid abzuhalten – wegen der angenommenen höheren Beteiligung.

DIE ÜBERRASCHUNG

Kurz vor der entscheidenden Sondersitzung des Stadtparlaments am Mittwoch wurde klar, dass die regierende Rathauskooperation das Bürgerbegehren mit einem taktischen Schachzug ins Leere laufen lassen will – indem sie sich enthält. Der Plan ging auf: Nur die Linke stimmte für die Annahme, die linksalternative Die Andere dagegen. Damit war das Bürgerbegehren angenommen, ein Bürgerentscheid vom Tisch.

DIE REAKTIONEN

Die Taktikanalyse ging am Donnerstag weiter: Wieso haben die Linken zugestimmt, wo sie mit einer taktischen Ablehnung den Bürgerentscheid hätten durchsetzen können? „Dass sich alle enthalten würden, davon ist keiner ausgegangen“, verteidigte sich Linke-Kreischef Sascha Krämer. Die Andere warf der Rathauskooperation vor, das Plebiszit durch Tricksereien abgewürgt zu haben – aus Angst vor dem Votum der Bürger. axf/jaha/HK

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