Landeshauptstadt: Kinder-Casting wie am Fließband
Früh übt sich: Bereits Einjährige wurden im Hotel Voltaire auf ihre Tauglichkeit vor der Kamera getestet
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Innenstadt - „Klick, zapp!“ Die Strahleaugen von Fabienne irren durch den Raum im Hotel Voltaire . Was hat da eben geblitzt? Und vor allem wo? Die Einjährige im rosaroten Baby-Chic krabbelt über den dunkelblauen Samt, der für Bodenbelag und Hintergrund herhält. Das Kissen, auf dem sie sitzen soll, lässt sie links liegen und sucht den Blitz. Selbst die Süßigkeiten-Büchse, die Vater Dominik Stier ihr zuschiebt, interessiert nicht. „Fabienne, Fabienne“, ruft die Fotografin lakonisch. Kurz dreht Fabienne ihren Kopf. Angst vor der fremden Frau mit der Kamera hat das Baby keine. „Klick, Zapp!“ Wieder das Stroboskop-Licht, das aus dem einen der zwei Fotografenschirme herausschießt. Fabienne zeigt aufgeregt darauf und quietscht vor Freude. Und strahlt übers ganze Gesicht, da ist der Blitz. Ein nettes Motiv, „Klick, Zapp!“ Und Fabienne ist ein drittes Mal „im Kasten“.
Ob Pampers, McDonalds oder Reno- Schuhe – die Firmen suchen nach jungen Gesichtern, die ihre Produkte an die Eltern bringen. Auch im Film wird immer nach neuen Talenten gefahndet. Die Agentur Sunshine-Kids-Casting, liefert das „Material“. Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene – von 0 bis 28 Jahre – hortet die Casting-Agentur in ihrer Datenbank, 12 000 sind es bundesweit, wirbt die Agentur. Rund 60 Kinder sollen am vergangenen Sonnabend in Potsdam dazukommen, die Eltern haben ihre Sprösslinge angemeldet und zahlen widerstandslos die 45 Euro pro Kind. Dafür gibt es ein Probe-Fotoshooting nach Schema F. Bei den Babies nimmt sich die etwas unbedarft wirkende Fotografin Dara noch etwas Zeit und wartet auf den richtigen Moment. Bei den älteren Steppkes heißt es nur: „Setz Dich seitlich! Winkele das hintere Bein an! Guck mal böse! Dreh den Kopf zur Seite! Danke! Der nächste bitte!“
Industrielles Kinder-Casting, das nur den Typ dokumentieren kann, nicht jedoch Talent oder Leistungen zeigt. Daraus kann trotz allem – mit viel Glück – ein Auftrag entstehen. Sagt Anja Hilverling, eine der drei Agentur-Gründerinnen. An einer Stellwand im Tagungsraum wirbt Sunshine-Kids-Casting mit Buchungen aus der letzten Zeit. Nivea-Werbung ist zu sehen, Referenzen vom ZDF und Filmproduktionen sind dabei. Das könnte Eindruck machen, würde das Casting nicht nach Fließbandarbeit aussehen.
Der fünfjährigen Yildirin Schmidt haben die Probe-Fotos trotzdem Spaß gemacht. „Sie flirtet ja mit der Kamera“, sagt der stolze Vater Mario Schmidt. Bestimmte Erwartungen haben er und seine Frau Annette trotzdem nicht. „Wir warten ab, sind mit ihr aber sehr zufrieden“, kommentierte Papa Mario die Leistungen seines Töchterchens. Wenn Yildirin im laufenden Jahr nicht gebucht werden sollte, fliegt sie wieder aus der Kartei. „Aber jedes Kind kann wieder angemeldet werden“, so Chefin Anja Hilverling.
Auch Strahleauge Fabienne ist für die nächsten zwölf Monate in der Kartei. Wenn nichts aus einer Werbemodel-Karriere werden sollte, gibt“s wenigstens eine CD mit den Fotos als Erinnerung, sagen die Eltern. Zehn Euro extra kostet der Silberling. Das alles kümmert Fabienne wenig. Aus der Süßigkeiten-Büchse hat sie sich zwei Lutscher ergattert. Immer noch die beste Bezahlung, selbst für angehende Werbemodel-Steppkes.
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