Landeshauptstadt: Kinder-Lobbyist im „Unruhestand“
Dieter Saldecki prägte die „Sendung mit der Maus“ mit und verantwortete 400 Folgen „Schloss Einstein“
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Babelsberg – Was haben wir bei der „Sendung mit der Maus“ nicht alles gelernt. Wie der Sand an den Strand kommt, wissen wir, wie auch den Namen des Würfelzuckererfinders. Dieter Saldecki hingegen hat mit der Maus das Fernsehmachen erlernt. Das war vor gut 35 Jahre.
Der 1944 im brandenburgsichen Eberswalde geborene Grauschopf sitzt bei Askania Media in den Babelsberger Studios in seinem Raum. Besser, dem Raum, der einst seiner war. Der Nachfolger hat den Platz bereits eingenommen. Saldecki geht nach 400 Folgen als Chef-Dramaturg bei „Schloss Einstein“ und 35 Jahren Fernsehmachens in den „Unruhestand“, wie es seine Kollegen bezeichnen. Und bei einem Blick auf die Erlebnisse von Saldecki ahnt man, dass noch lange nicht die letzte Idee aus dem Kreativ-Reservoir des Mannes mit den Lachfalten um die Augen gesprudelt ist.
Der Weg zum Fernsehen ist oft ein schiefer, so auch bei Saldecki. Theologie hatte er zunächst studiert. Kurz darauf wurde er Kneipenbesitzer. „Ein nur kleiner Schritt“, grinst er spitzbübisch. „Das evangelische Jugendheim wurde um 22 Uhr geschlossen, eine für Jugendliche höchst unzumutbare Zeit.“ Die zwei Möglichkeiten: „Entweder man geht in eine andere Kneipe oder man kauft sich selbst eine.“ Saldecki schlug den zweiten Weg ein. „Ich ersoff mir mein Lokal.“ Nach vier Stunden Wetttrinken hatte der heute 62-Jährige die Kneipe. Als Wirt studierte er das Leben. Und legte damit den Grundstein für seine Erzählgeschichten, denn: „Nur, wer die Realität wiedergeben kann, erfindet auch glaubwürdige Fiktion.“
Als Ex-Theologe und bereits auch Ex-Kneipier fuhr Saldecki als Mitglied eines evangelischen Kabaretts nach Finnland zu einem Jugendtreffen, bei dem er Siegfried Mohrhoff über den Weg lief. Mohrhoff, der eigentliche Vater der Maus, sah ihn und sagte: „Dieter, wenn Sie nicht auf die Kanzel gehen, rufen Sie mich an.“ So landete Saldecki dort, wo er sich fortan wohlfühlte: beim Kinder-Journalismus. Mit der Maus gewann er mit dem Team in etwa jeden verfügbaren Preis, „rund 90 dürften es sein“. Der Adolf- Grimme-Preis steht noch in seinem einstigen Potsdamer Büro.
Nach einem zweieinhalbjährigem Intermezzo im „Erwachsenenfernsehen“ – da entwarf er gemeinsam mit seinem heutigen Freund Johannes Kaul das ARD-Morgenmagazin – begann das Abenteuer „Schloss Einstein“. „Als ich hörte, es solle einer Seifenoper gleichen, musste ich mich erst einmal über Soaps informieren,.“ Er schulte sich mit den ersten und „wirklich grottenschlechten Folgen“ von „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Immerhin: „Das Prinzip habe ich erkannt und für Schloss Einstein angepasst.“ Heraus kam die ABC-Dramaturgie: Abenteuer, Beziehung, Comedy. Das Ergebnis ist aufgegangen. Mittlerweile ist Schloss Einstein die längste deutsche Kinderserie überhaupt.
Dem Rheinland hat der lange allein erziehende Vater einer Tochter und eines Sohnes nie abschwören können. „Auch wenn ich seit 1994 für die Dramaturgie von Schloss Einstein verantwortlich war“, und er zwischen seiner Heimat Bonn und dem Produktionsort Potsdam pendeln musste. „Da ist es von Vorteil, dass ich nur schwarze Kleidung trage“, grient er. „Bei der Waschmaschine muss man nicht so lange warten, bis eine Farb-Ladung komplett ist.“
Das Leben aus dem Koffer bleibt, trotz des seit heute amtlichen „Unruhestands“. Denn Saldecki ist seit knapp einem Jahr Dozent an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“, berät Studenten beim Aufbau des Fernsehsenders Xen.On. Zusätzlich arbeitet er an einem neuen Studiengang, um praxiserfahrenen TV-Nachwuchs „zu züchten“.
Das bereits erwähnte Kreativ-Reservoir geht auch noch nicht zur Neige. Eine Buchreihe ist angelaufen, „für Menschen zwischen 10 und 99 Jahren, ganz nach der Sendung mit der Maus“, lächelt Saldecki. Das kleine Nagetier hat ihn, der sich selbst als Kinder-Lobbyisten bezeichnet, geprägt. Wie er durch seine Geschichten Generationen von Zuschauern.
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