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Exklusiv. Offiziell dürfen auf diesem Klettergerüst nur Kinder spielen, deren Eltern zu der Eigentümergesellschaft gehören.

©  Henri Kramer

Landeshauptstadt: Kinder unerwünscht

Eine Tagesmutter soll mit ihren Jungen und Mädchen den Spielplatz einer Anlage in Babelsberg nicht mehr nutzen dürfen. Die Mieter fühlen sich gestört

Stand:

Babelsberg – Sylke Hesch kann es immer noch nicht recht glauben. Die 41-Jährige arbeitet im Auftrag der Stadt Potsdam als Tagesmutter in einer Kinderpflegestelle im Babelsberger Weberviertel. Doch auf dem Spielplatz „An der Alten Brauerei“ gleich neben ihrer Einrichtung kann sie mit den ihr anvertrauten Kindern nicht mehr spielen. Der Grund: Einzelne Nachbarn wollen nicht, dass die Handvoll kleiner Jungen und Mädchen den privaten Mini-Spielplatz und eine angrenzende Straße nutzen.

Dass ihre Kinder unerwünscht sind, hat die frühere Spielerin von Turbine Potsdam – ihren richtigen Namen will sie aus Sorge um das Image ihrer Betreuungsstelle nicht in der Zeitung lesen – inzwischen schwarz auf weiß. Vor wenigen Wochen lag ein Schreiben der Stadtkontor-Gesellschaft für behutsame Stadtentwicklung in ihrem Briefkasten. In dem den PNN vorliegenden Brief stand, es gebe „mehrere Beschwerden“ von Anwohnern über „den Aufenthalt der Kinder vor ihren Wohnungen“. Und weiter: „Wir bitten Sie daher eindringlich, die Fläche nicht mehr regelmäßig als Aufenthaltsfläche für die Kinderbetreuung zu nutzen.“ Die Stadtkontor-Gesellschaft, die für Sanierungen und Neubauten in Babelsberg zuständig ist, verwaltet den besagten Spielplatz und die Straße für eine Eigentümergemeinschaft, der die Wohnungen ringsherum gehören. Der Spielplatz musste im Zuge des Baus der Häuser errichtet werden. Vor Ort zu sehen sind ein Holz-Metall-Klettergerüst und eine Bank in einem Sandkasten. Drumherum ist eine große Hecke, zur Straßenseite hin ist der Platz offen.

Der Fall erinnert an den Streit um einen privaten Spielplatz im Wohngebiet Ruinenbergkaserne, bei dem die Firma Semmelhaack nach Anwohnerbeschwerden einen großen neuen Spielplatz umzäunen lassen hat – und dort nur noch einige wenige Anwohner-Kinder spielen dürfen. Der Fall hatte für öffentliche Empörung gesorgt (siehe rechts).

Auch die Vermieterin der Tagesmutter Sylke Hesch ist verärgert – über das Schreiben des Stadtkontors zu dem privaten Spielplatz: „Und in Babelsberg steht im Gegensatz zur Ruinenbergkaserne kein Zaun und auch kein Schild, was den Kindern erkären soll, dass sie da nicht spielen dürfen.“ Auf dem Spielplatz seien vormittags und am frühen Nachmittag ohnehin kaum Kinder zu sehen. Gespräche mit der Stadtkontor-Gesellschaft zu dem Problem seien erfolglos verlaufen.

Beim Stadtkontor verteidigt man das Vorgehen – man kümmere sich eben um die Beschwerden aus der Eigentümergemeinschaft, wie Mitarbeiter Uwe Hackmann den PNN sagte. Daher habe man Sylke Hesch gebeten, den Spielplatz nicht mehr zu nutzen. „Bei einem öffentlichen Spielplatz hätten wir das natürlich nicht gemacht.“ Der Kern des Problems sei, dass der Spielplatz und das Drumherum eben nicht mit beispielsweise öffentlichen Fördergeldern, sondern rein privat finanziert worden seien. Zudem seien die Flächen nicht öffentlich gewidmet, sondern private Anlagen, dementspechend kämen allein die privaten Eigentümer für die Instandhaltung, die Verkehrssicherung und sonstige laufende Kosten auf. Ein weiteres Problem sei die Haftungsfrage, wenn der Spielplatz regelmäßig von einer professionellen Kindertagespflege genutzt wird. „Insofern wäre es schwierig, wenn Frau Hesch davon ausgehen sollte, dass sie diesen privaten Spielplatz für ihre berufliche Tätigkeit einfach ohne Absprachen mit den Eigentümern nutzen könnte.“ Ersatzspielflächen habe man der Tagesmutter gleichwohl keine angeboten, räumte Hackmann ein: „Aber die müsste sie kennen – wir wollen ihr wirklich keine Knüppel zwischen die Beine werfen.“ Mit dem Spielplatz in der Ruinenbergkaserne sei der Fall nicht zu vergleichen, fügt er hinzu – schließlich habe es kein Verbot der Nutzung gegeben.

Sylke Hesch erzählt die Geschichte ein wenig anders. Nur ein- bis zweimal pro Woche habe sie den Platz genutzt – und auch dann nur für kurze Zeit. „Bis ein Mieter mich ansprach, dass die Kinder hier nicht erwünscht sind.“ Er habe ihr fünf Minuten gegeben, den Platz zu verlassen, ansonsten zeige er sie an. Auch eine andere Mieterin habe sich in der Folge beschwert. „Ich wurde vor den Kindern angesprochen, ihnen wurde das Weiterspielen verboten“, sagt Sylke Hesch. Sie verwundere das umso mehr, als sie auf anderen Spielplätzen noch nie Beschwerden erlebt habe: „Im Gegenteil: Meine Kinder grüßen die Leute und interessieren sich für Mensch und Umwelt.“ Auch die Eltern ihrer Tageskinder verstünden das Gebaren nicht. Sie jedenfalls nutze den Spielplatz nicht mehr. „Weil ich möchte, dass die Kinder in Ruhe gelassen werden.“

Die Stadt indes sieht wenig Lösungsmöglichkeiten. Man sei über die bedauerliche Problematik informiert, sagt Sprecher Stefan Schulz. Dass die Kinder einen Spielplatz nutzen können, sei aber inzwischen sichergestellt – die Tagesmutter sei eben auf einen anderen Spielplatz ausgewichen. Die Vermieterin von Sylke Hesch ist dennoch sauer: „Ich verstehe nicht, wie wegen einzelner Beschwerdeführer so zum Unwohl der Kinder verfahren wird – das grenzt für mich an Schikane.“

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