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Landeshauptstadt: Kirsch soll gehen

SPD-Beschluss: Stadtverordneter soll Mandat niederlegen. Tut er es nicht, will Fraktion ihn ausschließen

Stand:

Die SPD hat die Konsequenzen aus den Querelen mit ihrem Stadtverordneten Wolfhard Kirsch gezogen: Kirsch soll bis zur Stadtparlamentssitzung am kommenden Mittwoch sein Stadtverordneten-Mandat niederlegen. Tut er dies nicht, sei die SPD-Fraktion „gebeten“, ihn aus der Fraktion auszuschließen. Diesen Beschluss traf der Unterbezirksvorstand der SPD mit elf Mitgliedern am Donnerstagabend einstimmig.

Zudem forderte die SPD Kirsch auf, sich öffentlich von einer Klageschrift seines Anwalts Christoph Partsch zu distanzieren. In dem Schriftstück soll das Handeln der Potsdamer Stadtverwaltung und der Stadtverordneten im Streit um den Uferweg am Griebnitzsee mit den Methoden des Nationalsozialismus gleichgestellt worden sein. Kirsch hatte diesen Vorwurf am Donnerstag gegenüber den PNN noch zurückgewiesen. Der SPD-Fraktionschef Mike Schubert hatte dagegen gesagt, er habe Akteneinsicht genommen und in der Klageschrift „Verweise auf die Arisierung und den Nationalsozialismus“ gefunden. Dies sei „völlig inakzeptabel und nicht tolerierbar“, so Schubert (PNN berichteten). Fraktionschef Schubert sagte gestern, nunmehr gebe es „eine klare Beschlusslage der Partei, wie wir damit umgehen“. Jetzt liege die Entscheidung bei Wolfhard Kirsch. Dieser wollte gestern zu der Aufforderung öffentlich nicht Stellung nehmen: „Das klären wir innerparteilich“, sagte er den PNN. Sollte es zum Ausschluss aus der SPD-Fraktion kommen, könnte er sein Mandat aber auch ohne Parteizugehörigkeit behalten.

Die Forderung, Kirsch solle sein Stadtverordneten-Mandat niederlegen, hatten bereits vor dem offiziellen Beschluss mehrere Potsdamer SPD-Politiker erhoben. Grund dafür war zunächst eine Kleine Anfrage, die der Babelsberger Bauunternehmer und Besitzer eines Grundstücks am Griebnitzsee an die Stadtverwaltung gerichtet hatte. Darin wollte Kirsch wissen, warum die Stadt nicht der Rechtssprechung des Potsdamer Verwaltungsgerichts folge, wonach eine Kommune bei Mauergrundstücken kein Vorkaufsrecht besitze. Hintergrund schien zu sein, dass Kirschs Anwalt Partsch versucht haben soll, ein Grundstück am Ufer zu kaufen, damit aber scheiterte, weil die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben wollte. Kirsch wurde vorgeworfen, seine persönlichen Interessen im Uferstreit über seine Verantwortung als Mandatsträger zu stellen.

In dem seit Jahren schwelenden Streit um den Uferweg geht es um die öffentliche Nutzung des einstigen Grenzpostenweges. Das Problem: Inzwischen sind 21 der insgesamt 80 See-Grundstücke bis zum Ufer an Privatbesitzer verkauft. Drei Viertel von ihnen sind nach PNN-Informationen zwar bereit, einen Weg über ihr Privatgrundstück zuzulassen, beanspruchen jedoch den Uferbereich als Privatgelände. Ende September 2004 war es zum Eklat gekommen, nachdem die Stadtverordneten eine so genannte Veränderungssperre für das Areal erließen. Damit wurde den Griebnitzsee-Anrainern verboten, auf ihren Grundstücken zu bauen, bis es einen offiziellen Bebauungsplan gibt. Einige von ihnen zerstörten daraufhin den Weg mit schwerem Gerät und versperrten ihn. Zuvor hatten die Stadtverordneten zudem beschlossen, dass die Stadt Potsdam die Uferflächen kaufen solle. Es folgten teilweise noch immer andauernde Rechtsstreitigkeiten zwischen Stadt und Grundstückseigentümern – aber auch ein Kompromiss: So haben bereits zwei Anlieger den Uferweg an den See verlegt.

Die SPD-Fraktion hatte sich von Anfang an für einen öffentlichen Uferweg und -park ausgesprochen, wie die Stadt ihn plant. Der Stadtverordnete Kirsch – er kandidierte in Babelsberg und rückte dann 2005 für die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein ins Stadtparlament nach – hatte bereits Anfang dieses Jahres ein klares Bekenntnis zu einem öffentlichen Weg vermissen lassen. Nachdem Kirsch dann im August die letztendlich wegen seiner persönlichen Beteiligung für nicht zulässig erklärte Kleine Anfrage gestellt hatte, musste er vergangene Woche von seiner Fraktion erneut aufgefordert werden, sich zu einem öffentlichen Weg zu bekennen. Dies tat er mit einer Pressemitteilung, die aus einem Satz bestand – doch nahezu gleichzeitig wurde bekannt, dass Kirsch per Klageweg versucht, die Genehmigung für einen Zaun mit Flügeltüren von seinem Grundstück über den Uferweg bis zum Wasser zu erstreiten. Damit schien die Vertrauensbasis zwischen der SPD-Fraktion und ihrem Abgeordneten Kirsch bereits endgültig zerstört.

Doch es folgten weitere Vorwürfe: Kirsch soll den Höchstsatz an Verdienstausfallzahlungen für seine ehrenamtliche Stadtverordneten-Tätigkeit geltend gemacht haben: 1050 Euro im Monat. Ob er dabei korrekte Angaben gemacht hat, werde das Rechnungsprüfungsamt nun untersuchen, sagte SPD-Fraktionschef Mike Schubert.

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