Landeshauptstadt: Kirschen, Holunder und Sanddorn
Obstforschung mit Tradition im Bundessortenamt in Marquardt
Stand:
Obstforschung mit Tradition im Bundessortenamt in Marquardt Von Winfried Gutzeit Marquardt. Mehr als 300 Sorten Süßkirschen wurden in Marquardt in den vergangenen 15 Jahren geprüft, die Zahl der Zierpflanzen- und Gemüsesorten ist ebenfalls kaum noch zu zählen: In der Prüfstelle Marquardt des Bundessortenamtes werden neue Züchtungen im Obst- und Gemüsebau und der Blumenzucht auf ihre individuellen Merkmale hin untersucht und diese in einem Zertifikat festgehalten. „Die Prüfzeit ist recht unterschiedlich“, erläutert die Leiterin der Prüfstelle, Brigitte Wiggert. Bei den Obstsorten dauere das fünf bis sechs Jahre. Davon seien die ersten drei Jahre die Anwachszeit der jungen Bäume, bevor sie Früchte tragen können. Die werden dann genau untersucht. „Bei den Gemüsesorten können wir die Merkmale bereits nach einem Jahr registrieren.“ Für die Stauden benötigt man drei Jahre, und die Rosen stehen vier Jahre, bis alle neuen Merkmale bestätigt werden können. Danach erhält der Züchter über das Bundessortenamt in Hannover die offizielle Bestätigung seiner neuen Sorte. Brigitte Wiggert leitet seit sechs Jahren die Marquardter Prüfstelle, war zuvor seit 1990 technische Betriebsleiterin. Angefangen hatte sie bereits 1966 als Gärtnerlehrling und sich später im Fernstudium zum Gartenbauingenieur qualifiziert. 1966/67 wurde in Marquardt die Zentralstelle für Sortenwesen des damaligen DDR-Landwirtschaftsministeriums eingerichtet, das Arbeitsgebiet glich dem heutigen. Die Untersuchung neuer Obstsorten sollte die Entwicklung der zentralen Obstanbaugebiete der DDR wissenschaftlich begleiten. Doch die Tradition der Obstforschung in Marquardt geht bis auf das Jahr 1930 zurück. Damals führte Professor E. Kemmer von der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin hier in Marquardt die Feldversuche zur Untersetzung seines ersten wissenschaftlichen Standartwerks über Obstsorten durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten Wissenschaftler der Humboldt-Universität bis 1966 die Forschungen auf den Flächen der Außenstelle Marquardt weiter. Vor gut 30 Jahren wurden dann die Gebäude der neuen Zentralstelle für Sortenwesen errichtet, es waren einfache Funktionsbauten im DDR-typischen Beton-Baracken-Stil. Bis 1990 arbeiteten hier 45 Mitarbeiter, mit der Wiedervereinigung übernahm das Bundeslandwirtschaftsministerium die Einrichtung. Marquardt wurde zusammen mit sechs weiteren DDR-Standorten dem Bundessortenamt angegliedert, der Betrieb neu organisiert. So arbeiten hier heute nur noch 17 Mitarbeiter. Im Zuge der Umgestaltung der Prüfstelle wurden auch die Gebäude untersucht. Das Ergebnis war: Neubau ist billiger als eine Rekonstruktion. Daher werden die alten Häuser auch anschließend abgerissen, das frühere Bürogebäude ist bereits verschwunden. Bei der Projektierung wurde gleich auf eine bessere Einfügung in die Landschaft geachtet. „Die Gebäude werden wie ein Dreiseitenhof angeordnet“, erläutert die Leiterin. Und die in Terrakotta gehaltene Fassade bietet ein ansprechendes Äußeres. Das Projekt sollte zwar in zwei Abschnitten realisiert werden, doch lagen die Kosten für das 600 Quadratmeter große Wirtschaftsgebäude, das 2002 eingeweiht wurde, bereits bei eine Million Euro. So kam nur noch eine Splittung in vier Bauabschnitte in Frage. Vor zwei Monaten konnte das neue Bürogebäude bezogen werden, noch in diesem Jahr soll im Herbst das neue Werkstattgebäude die Drei-Seiten-Anlage nach hinten abschließen. Als „Entré“ wird im kommenden Jahr ein neues Gewächshaus zur Hauptstraße hin errichtet. Das Spektrum der eingereichten Sorten hat sich im Laufe der letzten Jahre verschoben. Während man bei den klassischen Obstgehölzen eine gewisse Stagnation beobachten könne, gehe der Trend stark hin zum Wildobst. „Wir haben bereits 236 Sorten bei uns getestet“, erläutert Brigitte Wiggert. Das beträfe nicht nur Sanddorn, der als äußerst Vitamin-C-reich gilt, sondern auch typische Wildgewächse wie Holunder oder Eberesche. „Die werden heute verstärkt von der Lebensmittelindustrie zur Herstellung von Farbstoffen eingesetzt.“ Der Trend gehe endlich wieder weg von den chemischen hin zu natürlichen Lebensmittelfarben. Daneben liegen bei den Gemüsesorten derzeit Spargel und Mohrrüben ganz oben in der Verbrauchergunst, bei den Zierpflanzen die Petunie ganz vorn. „Doch die Stellung der Rose ist ungebrochen, allein 42 neue Sorten an Edelrosen sind bei uns geprüft worden“, so die Leiterin der Prüfstelle Marquardt.
Winfried Gutzeit
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: