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Von Henri Kramer: Klage-Rekord gegen Paga

45 Prozent mehr Verfahren gegen Potsdamer Hartz IV-Behörde / Sozialgericht: Mängel bei Gesetzen

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Es ist ein Rekord, auf den die Hartz IV-Behörde der Landeshauptstadt sicher gern verzichtet hätte: Die Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Paga) ist im vergangenen Jahr so oft verklagt worden wie noch nie. Das belegen aktuelle Statistiken aus der Behörde. In der Paga betreuen Stadtverwaltung und Bundesagentur für Arbeit in Potsdam aktuell 4427 Arbeitslose und 9494 Bedarfsgemeinschaften: Die Paga zahlt unter anderem Arbeitslosengeld II aus, übernimmt Mietkosten oder vermittelt Ein-Euro-Jobs.

Doch stoßen die Bescheide der Behörde immer öfter auf Widerstand. So hat es im vergangenen Jahr 2004 Klagen gegen die Paga gegeben, 622 mehr als 2008 – eine Steigerung um 45 Prozent. Mit dem Anstieg sind zugleich die Erfolgsaussichten für Klagen gegen die Paga leicht gesunken: Von 70 Prozent im Jahr 2008 auf nun 64 Prozent, so die Statistik aus der Behörde. Schon Mitte vergangenen Jahres hatte sich der Rekord angedeutet, die entstandenen Kosten für die Verfahren sollen für das vergangene Jahr bei mehr als 200 000 Euro liegen.

Die Klagewelle spürt auch das zuständige Potsdamer Sozialgericht. Die Paga ist dort Großkunde, ein Fünftel aller aktuell 9980 anhängigen Verfahren sind Klagen gegen die Hartz IV-Behörde.

Die hohen Zahlen haben mehrere Gründe. Der Sprecher des Sozialgerichts, Moritz Bröder, sagte den PNN, vor allem die „handwerklichen Mängel“ in den Hartz IV-Gesetzen seien schuld. Um die damit auftretenden Probleme zu lösen, hat die Paga längst eine Rechtsbehelfsstelle eingerichtet, in der Widersprüche gegen Behördenbescheide geprüft und notfalls vor Gericht gebracht werden. In der Behörde wird aber nicht nur über die „komplexe“ und oft „unbestimmte“ Rechtsprechung zu den Hartz IV-Gesetzen geschimpft. Ebenso hätten sich in Potsdam längst Anwaltsbüros ihre Nischen mit stetigen Klagen gegen Bescheide der Behörde geschaffen. „Es gibt Verfahren, die wegen läppischen 1,87 Euro geführt werden“, heißt es bei Paga-Mitarbeitern. Zugleich hatte Behörden-Chef Frank Thomann in der Vergangenheit auch „handwerkliche Fehler“ von Paga-Angestellten eingeräumt.

Zumindest laut der Statistik erfolgreicher am Sozialgericht agiert die Potsdamer Arbeitsagentur, die Erfolgsquote aus Behördensicht liegt laut Sprecherin Isabell Wolling aktuell bei 67 Prozent. Die Agentur betreut in der Region um die Landeshauptstadt herum etwa 10 000 Arbeitslose. Doch auch hier steigt die Zahl der Gerichtsverfahren, wenn auch nur leicht: Im vergangenen Jahr wurde die Agentur in 427 Fällen verklagt, das sind 54 Verfahren mehr als noch 2008. „Meistens geht es hier um das Arbeitslosengeld“, sagte Agentursprecherin Wolling den PNN.

Wegen steigender Verfahrenszahlen haben sich die Sozialgerichte in Brandenburg erst jüngst wieder zu Wort gemeldet. So hätte sich die Zahl der Klagen im Land Brandenburg um 30 Prozent auf rund 28 500 erhöht, hieß es zuletzt beim Landessozialgericht. Für Potsdam sagte Gerichtssprecher Bröder, die Zahlen hätten sich auf „anhaltend hohem Niveau stabilisiert“. Dabei sei die Zahl der neu eingegangenen Fälle mit 7270 etwa so hoch wie die 7195 von den Sozialrichtern erledigten Verfahren. Die Klagewelle vor Sozialgerichten wird bundesweit seit der „Hartz IV“-Einführung am 1. Januar 2005 verzeichnet.

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