
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Klein-Klein in der Schiffbauergasse
Freizeitaktivitäten sollen künftig regelmäßig Kulturangebote ergänzen / Familienfest zu Ostern als Auftakt
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Berliner Vorstadt - Das Wassertaxi brachte am Ostersamstag kaum Touristen aus Berlin zur Schiffbauergasse, wo unter dem Titel „Eijeijei... Ostereier- und Kultursuchen“ angekündigt war. Auf dem Restaurantschiff genoss eine übersichtliche Anzahl von Gästen Kaffee, Kuchen und vor allem die Sonne. Huckleberrys Floßstation am Tiefen See wartete startklar auf Abenteuergäste. Der See plätscherte. Es war ruhig an Potsdams größtem Kulturstandort, dem das Problem attestiert wird, dass es dort seit der Rundum-Sanierung eigentlich immer zu ruhig ist.
Dennoch, Familien, die das Frühlingswetter im Freien genießen wollten, ohne auf Kultur zu verzichten, kamen beim „Eijeijei“-Fest auf ihre Kosten. Die Wiesen bevölkerten sich zunehmend, Ostermalen, Eierlaufen, Basteln, niveauvolle Sport- und Spielideen wurden angenommen. Die Potsdamerinnen Stefanie Hoffmann mit Tochter Johanna und Judith Gallasch mit der kleinen Emilia waren angetan von der Atmosphäre. Es gebe in Potsdam viel zu wenige Kulturveranstaltungen für Familien, und wenn, dann seien diese meist überfüllt. Sie fänden es schön hier, alternativ. Musik fehle ihnen, aber besser so, als eines von den üblich lauten Events, meinten die beiden Frauen.
Das Lob zum ersten Familien-Osterfest auf dem weiten Gelände der Schiffbauergasse dürfte Birgit-Katharine Seemann freuen. Die Leiterin des Fachbereichs Kultur und Museum der Stadt Potsdam will an der Schiffbauergasse „auf keinen Fall einen Freizeitpark im Disneylandstil entwickeln“. Aber was bedeutet die Formulierung „Erlebnisquartier Schiffbauergasse“? Regelmäßige thematische Events für Jung und Alt hält Seemann für den richtigen Weg, das Areal zu beleben. 3000 Euro Fördergeld gab die Stadt deshalb für das Osterfest aus, um Akzente zu setzen. Klein-Klein heißt das Lösungswort – es bedeutet, wiederkehrende Freizeitwerte für den Tag zu schaffen, als Ergänzung zum Kulturangebot des Abends. An solch einem Ort müsse der Sommer, das Wasser, die Natur stärker ins Spiel gebracht werden. „Wir brauchen die Touristen, vor allem aus Berlin“, gibt Heinrich Liman, Geschäftsführer des „museum fluxus+“, unumwunden zu. Er charakterisiert den Kulturstandort bereits jetzt als lebendiges, experimentelles Projekt. Henning Krüger, in der Verwaltung verantwortlich für das Marketing für die Schiffbauergasse, zeigt sich überzeugt: „Wenn wir die Events besser verbinden, das Marketing aufpushen, wird die Schiffbauergasse nachhaltig angenommen.“ Er verweist auf den bevorstehenden Unesco-Abend am 4. Juni, bei dem das Babelsberger Filmorchester unter freiem Himmel spielen wird.
Seemann, Krüger und Liman vertreten aber auch den Standpunkt: ohne Wirtschaftskultur geht es nicht. Befürchtungen, dass dies auf zu viel Kommerz ziele, setzt Seemann entgegen: „Der Charme ist doch, dass hier bisher nicht alles nach Plan ging.“ Den Künstlern vor Ort, vom Waschhaus, der fabrik, auch vom Hans Otto Theater, will sie Zeit geben, sich weiter kreativ zu entwickeln. Die Zielgruppe „Jugend“ soll aktuell durch die Ausstellung Temporary Art Zone III, die am 30. April 2011 eröffnet wird, weiter umworben werden. Nach der Vernissage ist Party angesagt.
Überzeugt ist Henning Krüger, dass auch die „Stadt für eine Nacht“ am 9. und 10. Juli ein Publikumsmagnet werde, der Lebendigkeit ins Erlebnisquartier bringe. Nun sei Nachhaltigkeit in der Planung gefragt. In den Gesprächsrunden der Stadt werde bereits regelmäßig gemeinsam mit den Kulturakteuren der Schiffbauergasse nach kreativen Ideen gesucht.
Bekanntlich soll das Marketing für den einstigen Industriestandort, der mit rund 100 Millionen Euro Fördergeld zum Kulturzentrum umgebaut wurde, bald in professionelle Hände jenseits der Stadtverwaltung gelegt werden. Mit einer europaweiten Ausschreibung sucht die Stadt eine Firma, die „effizientes Management und Marketing“ für die Schiffbauergasse übernimmt. Das Unternehmen soll bis November von einer 15-köpfigen Jury ausgewählt werden, der Vertrag soll ab 1. Januar 2012 in Kraft treten. Für das Management plant die Stadt für 2012 Ausgaben in Höhe von rund 589 000 Euro, in den beiden Folgejahren sind 584 000 und 578 000 Euro geplant.
Brigitte Einbrodt
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