zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Kleine Dosis Strafe

Ein MS-kranker Dealer, der angab, gegen seine Schmerzen zu kiffen, kam glimpflich davon

Stand:

Am Ende saß die Kammer doch weniger über Gesundheits- als über Rechtsfragen zu Gericht. Das Potsdamer Schöffengericht hatte Ende der Vorwoche zu entscheiden, ob es einen Dealer vor sich hatte oder einen Kranken, der Cannabis zur Schmerzlinderung konsumierte und unter Zwang andere Drogen verkaufte. Es entschied sich für eine formale Sicht der Dinge: Der im Rollstuhl sitzende Ronny R.* (34), der an Multipler Sklerose erkrankt ist, wurde wegen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt (120 Tagessätzen zu je fünf Euro). Oberstaatsanwalt Peter Steiniger hatte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt werden solle.

Die Anklage warf dem Erwerbsunfähigkeits-Rentner vor, am 1. Mai 2011 einem damals 15-Jährigen eine geringe Menge Cannabis für fünf Euro verkauft zu haben. Bei einer Durchsuchung der Plattenbauwohnung Am Stern fand die Polizei knapp 113 Gramm Amphetamine, 26,87 Gramm Cannabis, Rauschpilze sowie diverse Betäubungsmittel-Utensilien.

Ronny R. gab an, er habe Cannabis konsumiert, um seine Schmerzen zu lindern. Medikamente, die ihm seine Ärzte verschrieben, hätten nicht angeschlagen, die Leiden mitunter verstärkt. Er gab auch bereitwillig Auskunft über seinen Dealer, der in der Szene nur unter Spitznamen bekannt war. Der habe ihn gezwungen, Drogen „zu verticken“. „Dass der Junge erst 15 war, habe ich im Nachhinein durch die Anklageschrift erfahren. Das war ein Schlag in den Magen“, so der Angeklagte. „Als sich mein Mandant weigerte, die Amphetamine zu verkaufen, wurde er in seiner Wohnung überfallen, Fernseher und Laptop wurden ihm geraubt“, so Verteidiger Torsten Schmidt. „Da hat er sich gesagt: Bevor die mir noch mehr antun, verkaufe ich eben was.“ Falls ein Minderjähriger unter den Kunden gewesen sein solle, tue ihm das leid. „Mein Mandant ist durch das Verfahren nachhaltig beeindruckt. Er traut sich jetzt nicht mehr, Cannabis zu nehmen und leidet dadurch noch mehr Schmerzen“, so Schmidt.

„Eine schwere Erkrankung ist kein Freibrief für den unerlaubten Umgang mit Drogen. Der Weg führt nur über eine Ausnahmegenehmigung des Bundesgesundheitsministeriums“, führte Oberstaatsanwalt Steiniger in seinem Plädoyer aus. Er hielt dem Angeklagten zugute, über seinen eigenen Tatbeitrag Aufklärungshilfe geleistet und beigetragen zu haben, einen weiteren Dealer dingfest zu machen. Das müsse sich in einem milderen Strafmaß für den bislang Unbescholtenen widerspiegeln. Das sah das Schöffengericht ebenso. Zudem ging es von einem minder schweren Fall des Drogenhandels aus. (*Name geändert)Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })