Landeshauptstadt: Kleingärtner-Widerstand gegenBaubeginn derVillaJacobs
Sparte „Am Jungfernsee“ wartet seit Mitte Juni auf Entschädigungszahlungen / „Gesamtpaket“ für Verkauf an Döpfner noch nicht geschnürt
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Sparte „Am Jungfernsee“ wartet seit Mitte Juni auf Entschädigungszahlungen / „Gesamtpaket“ für Verkauf an Döpfner noch nicht geschnürt Von Sabine Schicketanz Nauener Vorstadt. Der Wiederaufbau der Villa Jacobs am Jungfernsee droht sich erheblich zu verzögern. Gibt es bis Ende September keinen endgültigen Vertrag über den Verkauf des Villen-Grundstücks samt lennéschem Garten an den Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, wollen sich die 21 auf dem Gelände ansässigen Kleingärtner weigern, ihre Parzellen vor August 2004 zu räumen. Damit wäre ein Baubeginn vor diesem Termin praktisch unmöglich. Dem Verkauf des viereinhalb Hektar großen Grundstücks an den Springer-Chef hatten die Potsdamer Stadtverordneten bereits im April dieses Jahres zugestimmt. Danach wurde ein Zeitplan für das weitere Verfahren festgelegt – unter Einbeziehung der Kleingartensparte „Am Jungfernsee“, deren Parzellen sich auf der von der Unesco als Weltkulturerbe geschützten Gartenanlage befinden. Damals hätten, so die Sparten-Vorsitzende Heide-Marie Ladner, die Stadt als Verkäufer des Villen-Grundstücks und Käufer Döpfner auf dem engen Zeitplan zur Räumung des Grundstücks bestanden. „Am 1. November sollte Baubeginn sein“, erinnert sich auch Friedrich Niehaus, Chef des Verbandes der Garten- und Siedlerfreunde (VGS). In großer Eile habe man die Entschädigungssummen für die Parzellen schätzen lassen und sich Mitte Juni mit Döpfner geeinigt. „Doch seit dem ruht alles“, so Niehaus. Dies stelle die Kleingärtner vor große Probleme. Denn ohne die Entschädigungszahlung des Springer-Chefs könnten sich die Gärtner keine neuen Parzellen kaufen – obwohl bereits für alle die passenden Flächen gefunden seien. Diese hat der Verband zunächst reserviert. „Doch ich kann maximal bis Ende September den Daumen darauf halten“, sagt Niehaus. Schließlich müssten die Verkäufer der Ersatz-Parzellen auch ihr Geld erhalten. „Und manche hätten schon vor acht Wochen einen anderen Käufer haben können.“ Sollte den Parzellen-Verkäufern durch die jetzt eingetretene Verzögerung ein finanzieller Schaden entstehen, müsse dafür im Zweifel sogar der Verband aufkommen. „Da kriege ich kalte Füße“, so Niehaus. In der Gartensparte mache „die Ungewissheit vielen zu schaffen“, sagte die Vorsitzende Ladner. Zwei Pächter hätten sich sogar privat verschuldet, um einen neuen Kleingarten kaufen zu können. „Sie sind besonders gelackmeiert“ und warteten dringendst auf die Entschädigungszahlung von Döpfner. Treffe das Geld nicht bald ein, werde man sich weigern, die Gärten noch im Jahr 2003 aufzugeben, so Ladner. „Dann ist der Zug abgefahren, und ich rechne mit massivem Widerstand.“ Der nächste akzeptable Termin für die Kleingärtner sei der August oder September 2004. Dann ende die Vegetationsperiode – für die Kleingärtner die einzige Möglichkeit, ihre Pflanzen verträglich in einen neuen Garten umzupflanzen. Zudem sei dies der einzige Zeitpunkt im Jahr, an dem zahlreiche Kleingärten abgegeben und für die Jungfernsee-Pächter frei würden. Die Schuld an ihrer misslichen Lage geben die Kleingärtner weniger dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Döpfner als der Potsdamer Stadtverwaltung. „Es wäre einfach fair gewesen, uns zu sagen, wie lange es noch dauert“, so Ladner. Über das Schweigen seitens der Verwaltung ist auch Niehaus verärgert. Auf sein Schreiben vom 8. August an die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz habe er bis gestern keine Antwort erhalten. Die Stimmung in der Sparte sei mittlerweile „schlecht“, sagt Ladner. „So verärgert man Menschen, die kooperativ waren.“ Sie könne verstehen, dass Döpfner keine Entschädigungen zahle, ehe er nicht sicher sei, bauen zu können. „Doch das hängt an der Verwaltung“, ist die Sparten-Chefin der Meinung. Woran es tatsächlich liegt, dass der Kaufvertrag zwischen Stadt und Döpfner noch immer nicht beurkundet ist, bleibt unklar. „Es müssen noch ein paar Dinge bewegt werden“, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs. Er habe mit Döpfner gesprochen und man sei „auf einem guten Weg“. Ein Ausstieg Döpfners aus dem Vorhaben sei nicht zu befürchten. Es gehe um „Detailregelungen“, ohne die das „Gesamtpaket“ nicht geschnürt werden könne. Wann mit einer Einigung zu rechnen ist, sagte Jakobs nicht. Von Mathias Döpfner selbst war gestern auf Anfrage keine Auskunft zu erhalten. Den offensichtlich komplizierten Verhandlungen war bereits eine 15-monatige Debatte über die Verkaufsmodalitäten vorausgegangen. Döpfner möchte die 1835 vom „Architekten des Königs“ Ludwig Persius für den Zuckerfabrikanten Ludwig Friedrich Otto Jacobs erbaute florentinische Turmvilla wiederaufbauen – und damit ein Baudenkmal wieder entstehen lassen, das einst die Potsdamer Stadtlandschaft prägte. Es war 1981 abgerissen worden, nachdem sich zwei Jahre zuvor ein bewaffneter Soldat aus der benachbarten Roten Kaserne auf seiner Flucht im Schornstein der Villa versteckt hatte. Die Sondereinheit der DDR-Polizei holte den Flüchtigen mit einer Nebelblendgranate heraus – auf Grund des folgenden Brands in der Villa und der Grenznähe des Gebäudes wurde es daraufhin auf Antrag des Rates des Bezirks bis zum Sockel abgetragen. Laut Stadtverordnetenbeschluss überlässt die Stadt Springer-Chef Döpfner das Villen-Grundstück für 840 000 Euro. In den Wiederaufbau muss Döpfner geschätzte 3,9 Millionen Euro investieren – darin inbegriffen ist auch die Wiederherstellung der einst von Peter Joseph Lenné und Hofgärtner Hermann Ludwig Sello angelegten Parkanlage am Ufer des Jungfernsees. Größter Streitpunkt bei den Verkaufsverhandlungen: der öffentliche Zugang zum Uferweg am Jungfernsee. Döpfner hatte zunächst beabsichtigt, den Weg an nur neun Tagen im Jahr, dafür aber den Park täglich zu öffnen. Die Stadtverordneten bestanden jedoch auf dem städtischen Gesamtkonzept generell öffentlicher Uferpromenaden. Letztendlich wurde mit folgendem Kompromiss eine Einigung erzielt: Der Uferweg bleibt uneingeschränkt für die Öffentlichkeit nutzbar, den Park kann Döpfner uneingeschränkt privat nutzen. Er habe sich jedoch bereit erklärt, die Weltkulturerbe-Anlage einmal im Jahr am Tag des offenen Denkmals zugänglich zu machen, hatte die Stadtspitze zur Beschlussfassung verkündet. Zu den Verkaufskonditionen soll außerdem gehören, dass die Villa fünf Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung und der Park sieben Jahre nach der Beurkundung des Kaufs fertig gestellt werden müssen. Von dieser Seite geht jetzt allerdings noch kein Zeitdruck aus – schließlich gibt es bisher weder einen gültigen Kaufvertrag noch eine Baugenehmigung.
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