Landeshauptstadt: Kleinkriegen gilt nicht
Rosalinde Zastrow feierte ihren 102. Geburtstag
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„Ich habe ein schönes, aber auch ein schweres Leben gehabt“, sagt Rosalinde Zastrow bewegt, als sie ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen lässt: Zwei Weltkriege hat sie überlebt, zweimal wurde sie aus ihrem zuhause ausgebombt, erzählt sie. Und auch im Alter hat sie schwere Zeiten erlebt: „Schon ein paar Mal stand ich kurz vorm Tod“, stellt Zastrow fest, mehrmals in der jüngeren Vergangenheit sah es um ihren Gesundheitszustand nicht gut aus. Aber sie hat sich jedes Mal wieder erholt, hat vieles überstanden und feiert heute im Kreise ihrer Angehörigen und Mitbewohner im Emmaus-Haus ihren 102. Geburtstag.
„Sie hat immer positiv gedacht und immer nach vorne geschaut“, erklärt sich Nichte Cornelia Klee das biblische Alter ihrer Tante. Selbst als Zastrow letztes Jahr das rechte Bein abgenommen wurde, habe sie das gut verkraftet. Und noch immer achtet sie sehr auf ihr Äußeres.
Es war nicht nur ein schweres, sondern auch ein schönes Leben: Zastrows Augen leuchten, wenn sie von ihrer Jugend spricht. Als Mädchen war sie jeden Sommer in den Ferien zu ihrem Großvater nach Dresden gefahren, die vielleicht schönste Zeit in ihrem Leben: „Es war eine herrliche Zeit, Dresden war einmalig. Wir sind zu jedem Sonntagskonzert und oft in die Oper gegangen“, erinnert sich die 102-jährige und lächelt versonnen.
Später hat Zastrow viele Jahre in der DDR als Kindergärtnerin gearbeitet, war sehr musikalisch und spielte oft und gerne Akkordeon, Gitarre oder Klavier. „Bis vor anderthalb Jahren hat sie immer noch Elektro-Klavier gespielt“, sagt ihr Neffe Hans-Georg Grund (53), „aber ihre verminderte Sehfähigkeit verhindert das nun leider.“ Ebenso wie eine ihrer früheren Lieblingsbeschäftigungen: Kreuzworträtsel. „Oft hat sie den halben Tag lang gerätselt“, so Grund. Dabei hatte Zastrow bis zu ihrem 98. Lebensjahr in ihrer Geburtsstadt Leipzig weitestgehend selbstständig in ihrem Haus gelebt. Nach einem Sturz war dies nicht mehr möglich, und so beschloss sie, mit fast hundert Jahren, noch einmal umzuziehen: Nach Potsdam, wo die einzigen Verwandten von Rosalinde Zastrow wohnten, die selbst keine Kinder hat: Ihr Neffe und ihre Nichte.
Die telefonieren heute oft mit ihr, schicken Briefe und besuchen sie regelmäßig im Emmaus-Haus. Zastrow ist nicht die einzige hier mit einem dreistelligen Alter, in der Senioren-Einrichtung gibt es noch eine andere 102-Jährige, und auch ein weiterer Mitbewohner wird in diesem Jahr hundert. Wenn es warm ist, hält Zastrow sich gern im Garten des Emmaus-Hauses beim Kaninchengehege auf. Und die süßen Seiten des Lebens hat sie noch immer nicht vergessen: „Sie nascht sehr gerne“, verrät uns eine Mitarbeiterin des Hauses, „am liebsten ,Mon Cheri’.“ Erik Wenk
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