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Potsdamer Geoforscher testen bei Ketzin, ob sich überflüssiges Kohlendioxid in die Tiefe verbannen lässt
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Potsdamer Geoforscher testen bei Ketzin, ob sich überflüssiges Kohlendioxid in die Tiefe verbannen lässt Von Julia Thurau Sicher, ohne Treibhausgase wäre es auf der Erde bitter kalt. Methan, Kohlendioxid, Lachgas & Co umgeben den Erdball wie ein schützender Schirm. Sie verhindern, dass die von der Erde kommende Wärme ins All entweicht. Industrie, Verkehr und auch private Haushalte aber haben in den vergangenen Jahrzehnten die Konzentration der Gase in der Atmosphäre derart erhöht, dass es langsam aber sicher zu warm wird. Hauptverantwortlicher für die ansteigenden Temperaturen ist das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), das durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe in großen Mengen in die Atmosphäre geblasen wird. Weil das so ist, wollen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) das überschüssige Gas im Untergrund verschwinden lassen. In ehemaligen Gasspeichern, Flüssigkeit führenden Erdschichten oder nicht abbaubaren Kohleflözen könne das Gas unterirdisch entsorgt werden. Tatsächlich laufen weltweit die Forschungen an derartigen Anlagen auf Hochtouren. Und auch in Deutschland gibt es ausreichend geologische Formationen, die sich für eine CO2-Speicherung nutzen ließen. Zum Beispiel in Ketzin, nordwestlich von Potsdam. Ein Salzkissen, mehr als 1000 Meter tief unter der Erde schafft dort Bedingungen, die bereits zu Zeiten der DDR zur Gasspeicherung genutzt wurden: Salzwasserführende Schichten aus Sandstein haben sich dort in Jahrmillionen über das Salzkissen gelegt – wie ein Berg unter der Erdoberfläche. Gas, das man in die Kuppe dieser Schichten injiziert, verdrängt das Wasser und füllt die Poren des Sandsteins. Weil das poröse Gestein seitlich am Salzkissen nach unten führt, sind dem aufstrebenden Gas natürliche Grenzen gesetzt. Oben dichtet eine Tonschicht das Gestein ab. Seit 2000 ist der Ketziner Gasspeicher geschlossen. Die Bohrlöcher des alten Speichers sind verfüllt. Geblieben sind die Gebäude, das Recht, das Gebiet bergbaulich zu nutzen und ein aufnahmefähiger Untergrund, der wie geschaffen scheint, das Treibhausgas CO2 aufzunehmen. Wissenschaftler um Günter Borm vom GFZ haben Ketzin nun im Rahmen des von der Industrie und der EU finanzierten Projekts CO2SINK, zu ihrem Feldlabor gemacht. „Wir wollen untersuchen, wie sich das Treibhausgas im Boden verhält und ob und wie es auf seine Umgebung wirkt“, erklärt Borm. Zwischen 2006 und 2008 wollen die Wissenschaftler bis zu 60 000 Tonnen Kohlendioxid 700 Meter tief in den Untergrund pumpen. Bis dahin sollen geophysikalische, geochemische und geologische Untersuchungen die nötigen Vergleichsdaten für ein umfassendes Überwachungssystem liefern. „Wenn wir wissen wollen, ob sich im Gestein durch die Injektion von CO2 etwas verändert, müssen wir genau wissen, welche Bedingungen dort vorher herrschten“, betont Borm. Kommerziell soll die Testanlage in Ketzin nie eingesetzt werden. „Dafür gibt es in Brandenburg größere und tiefer gelegene Speichergesteine, die besser geeignet wären.“ Schon jetzt werden ständig die Kohlendioxid-Konzentrationen am Boden rund um das Ketziner Bohrgebiet gemessen. Treten einmal lokal erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen auf, wollen die Forscher diese exakt zuordnen können: einem möglichen Leck – sei es noch so unwahrscheinlich – oder natürlichen Schwankungen. Selbst im Boden lebende Mikroorganismen ziehen die Forscher als Kontrollmechanismen heran. Wachsen sie? Wachsen sie nicht? Die Antwort könnte Hinweise auf veränderte CO2-Konzentrationen sein. In den kommenden drei Monaten werden seismische Untersuchungen folgen. Ein weißer Lastwagen, schweres Gerät im Huckepack, wird dann systematisch ein Gebiet von vier mal vier Kilometern abfahren und Schallwellen tief in den Boden schicken. Seismische Quelle ist eine 250 Kilogramm schwere Stange, die mit der Wucht einer Tonne auf eine Stahlplatte prallt. „Derartige geophysikalischen Messungen liefern uns ein räumliches Abbild der geologischen Strukturen in der Tiefe“, erklärt Borm. Weltweit einzigartig machen das Projekt zusätzliche Beobachtungsbohrungen, gespickt mit Sensoren und Messgeräten. Obwohl die Forschungen in vollem Gange sind, wird es noch lange dauern, bis eine CO2-Speicherung in Deutschland praktikabel ist. Neben der noch ausstehenden Risikoabschätzung bereiten besonders die Kosten Sorgen: Die fielen derzeit nämlich gänzlich zu Lasten der Energieversorger und könnten den Strompreis verdoppeln. Borm rechnet daher frühestens 2015 mit der industriellen Anwendung der CO2-Abtrennung am Kraftwerk und seiner unterirdischen Speicherung – optimistisch gesehen.
Julia Thurau
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