Landeshauptstadt: Klimaschutz versus Dorfcharakter
Warum ein Drewitzer keine Genehmigung für eine Solaranlage auf dem Dach seines Hauses bekommt
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Drewitz - Holger Hönicke läuft die Zeit weg. Auf dem Dach seines Hauses im dörflichen Alt-Drewitz will er bis zum 1. Juli eine Solar-Anlage installieren – um noch von der Einspeisevergütung für Solarstrom zu profitieren, die ab diesem Tag gekürzt werden soll. Doch bisher sperrt sich die Stadt Potsdam – weil sie sich um das Erscheinungsbild des Ortes sorgt. „Ich kann mich da nur wundern“, sagt Hönicke.
Der 52-Jährige hat sich bereits im März an die Stadt Potsdam gewandt: Er benötige die Solar-Anlage, um in dem Haus, in dem Mutter, Lebensgefährtin und Kindern unter einem Dach wohnen, weniger Energiekosten zu zahlen und zugleich Klimaschutz zu fördern. Die Solar-Platten wollte er auf dem Süddach seines zweistöckigen Hauses installieren, das zur Hauptstraße des Dorfes Am Nuthedamm zeigt. Die Antwort auf seinen Wunsch kam einen halben Monat später: In dem Bereich gelte die 1997 beschlossene Erhaltungssatzung Drewitz, die das Dorfbild schützen soll. Dazu sei Hönickes Haus „ortsbildprägend“ – und eines der zentralen Elemente der Dorflandschaft seien „rote Eindeckungen“ – die auch das Haus des Kfz-Sachverständigen besitzt. Hönicke versteht diese Argumente nicht. Schließlich gebe es in der Straße mehrere Häuser auch mit schwarzen Dächern. Die von der Stadtverwaltung als Alternative vorgeschlagene Variante, die Anlagen auf Nebengebäuden hinter dem Haus zu installieren, sei nicht sinnvoll – das Haupthaus werfe zu viel Schatten auf diese Bereiche. Nun hat er sich einen Anwalt genommen.
Eigentlich will Potsdam laut Stadtssprecher Stefan Schulz erneuerbare Energien fördern. Seit vergangenem Sommer können Potsdamer auf einer Solar-Katasterkarte im Internet prüfen, ob ihre Dächer für Solaranlagen geeignet sind – auch Holger Hönicke hat das getan. Über Konflikte, die sich daraus ergeben, führt die Stadt aber keine Statistik – „nicht zuletzt, weil in der Regel Lösungen gefunden werden können“, wie Schulz sagt. Anhaltende Differenzen gebe es nur in Einzelfällen, „wenn beispielsweise Anlagen ohne erforderliche Genehmigung installiert worden sind“. Seit November 2010 habe es etwa 5200 Zugriffe auf den Sonnen-Kataster gegeben. Mit den Wohnungsunternehmen finde am nächsten Dienstag ein Workshop statt, „um weiter dafür zu werben, dass mehr Photovoltaikanlagen errichtet werden.“ Mit solche Maßnahmen würden in Potsdam inzwischen 2,4 Megawatt erzeugt – vor zwei Jahren lag der Wert noch bei knapp 0,4 Megawatt. „Mit Blick auf die Erleichterung der Solarenergienutzung sind bereits auch entgegenstehende Regelungen in Bebauungsplänen aufgehoben worden“, sagt Stadtsprecher Schulz. Doch gilt das auch für das Dach von Holger Hönicke? Hönickes Anwalt zumindest würde am liebsten die gesamte Erhaltungssatzung kippen, weil diese in einer Zeit beschlossen worden sei, in der Solarenergie noch kein Thema war. Stadtsprecher Schulz sagte, eine Entscheidung in der Angelegenheit sei noch nicht erfolgt. Am Montag stehe ein gemeinsamer Termin an, bei dem eine auch „gestalterisch verträgliche Einordnung auf dem Dach des Hauptgebäudes erörtert werden soll, die der prägenden Dachlandschaft und der architektonischen Gliederung des Gebäudes Rechnung trägt“. Fakt bleibe aber, dass in einem Erhaltungsgebiet die prägende Eigenart der städtebaulichen Gestaltung gewahrt bleiben muss – ebensowenig könne an einem Baudenkmal die „Verpackung“ einer aufwendig gegliederten Fassade mit einem Vollwärmeschutz zugelassen werden. Schulz: „Es soll gesichert werden, dass nicht in einigen Jahren berechtigt hinterfragt werden muss, warum zu einem Zeitpunkt, an dem Solaranlagen noch recht auffällig in Erscheinung treten, die Charakteristik eines alten Dorfkerns zugunsten der aktuellen Bedürfnisse des Klimaschutzes völlig in den Hintergrund gedrängt worden ist.“ Für Hönicke sind solche Sätze schwer nachzuvollziehen: Die Förderung für Solar-Anlagen laufe nur 20 Jahre. Und danach werden die Anlage wegen der technischen Weiterentwicklung verändert werden müssen.
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