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Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf erklärt Kindern Ursachen und Folgen der Erderwärmung
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Manchmal sieht man so etwas wie Resignation im Gesicht von Hans Joachim Schellnhuber. Und zwar dann, wenn der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) feststellen muss, dass ein Stillstand bei den weltweiten Klimaverhandlungen in erster Linie die nachkommenden Generationen treffen wird. Selbst erst vor einigen Jahren Vater geworden, weiß er, was das bedeutet: Wir verspielen die Zukunft unserer Nachkommen. Und das wissen Kinder heute oft viel genauer als die Erwachsenen denken. Aufgeklärt durch Kindernachrichten, Schule und Internet stellen sie viel deutlicher als ihre Eltern fest, dass etwas passieren muss. Kinder fragen auch viel eher als Erwachsene, was man selbst tun kann, um das Problem zu lösen. Das hat auch der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf bei Vorträgen festgestellt.
Rahmstorf, der am PIK forscht und an der Uni Potsdam lehrt, hat neben seinen zahlreichen Studien nun eine ganz andere Publikation zum Klimawandel herausgebracht. In einem neuen Buch aus der Kinder-Uni-Reihe der Deutschen Verlags-Anstalt erklärt er jungen Lesern ab zehn Jahren, was die Erderwärmung ist, wohin sie führen kann und was die Menschheit dagegen tun kann. Die Aufschlagseite ziert eine traurig dreinschauende Sonne. Doch so traurig ist das Buch gar nicht. Es ist eher eine schlaue, akribisch erläuternde Bestandsaufnahme geworden, die zum Ende zu auch einen keineswegs pessimistischen Ausblick wagt.
Gleich das erste Kapitel macht neugierig. Es kommt nicht etwa mit erhobenem Zeigefinger der Umweltschützer daher, sondern es setzt da an, wo Wetter und Klima spannend sind: bei sich ballenden Wolken, wilden Winden und Gewittern. „Sind sie nicht ein wundervolles Naturschauspiel, das wir – vom sicheren Haus oder Auto aus – staunend genießen können?“, fragt Rahmstorf. „Mit einem Kribbeln im Bauch und dem Gefühl, auf einem tollen Planeten zu leben?“ So kriegt man die kleinen Leser: Wetter als Faszination.
In den nächsten Kapiteln folgen erst einmal die Grundlagen: Wärmebilanz, Strömungen und Winde, der erste Hauptsatz der Thermodynamik wird erklärt, das Gesetz der Energieerhaltung, das die physikalische Grundlage für das Klimasystem ist. Rahmstorf erklärt die Problematik verständlich und ohne zu langweilen. Das Auftreffen der Sonnenwärme auf die Erde, die teilweise zurückgespiegelt wird, die Erde, die selbst Energie abstrahlt. Angesichts der messbaren Erwärmung der globalen Mitteltemperatur muss sich einer dieser drei Faktoren geändert haben. Erde und Sonne würden ausscheiden, bleibt nur die Erdatmosphäre, die sich durch die Industrialisierung zunehmend mit Treibhausgasen anreichert: So verbleibe mehr Sonnenenergie im System als bisher.
Dann schreitet Rahmstorf durch die Entstehungsgeschichte der „flauschigen“ Wolken, erklärt den Wasserkreislauf und recherchiert in der Klimageschichte der Erde. Wieso die Erde nicht tiefgefroren ist, warum auch am Nordpol Bäume wachsen können und wann dort das Meerwasser 23 Grad warm war, all das kann der Professor der Physik der Ozeane ansprechend erklären. Um schließlich das eigentliche Problem aufzuzeigen, wieso es immer wärmer wird und was die nächsten 100 Jahre bringen werden.
Rahmstorf hat selbst zwei Kinder. So ist es ihm gelungen, diese eigentlich theoretische Materie so kindgerecht aufzuschreiben, dass auch die Eltern sich beim Schmökern ertappen. So verständlich und eindeutig bekommt man ein komplexes System wie das Erdklima selten erklärt. Immer wieder bleibt man hängen, etwa an der „großen Sahara-Katastrophe“ oder bei der Frage, ob Berlin bald am Meer liegen wird. Der Klimaforscher streut geschickt kleine Geschichten, Erinnerungen und Anekdoten ein, die Lust aufs Weiterlesen machen.
Kein Physikbuch wollte er schreiben und das ist ihm auch gelungen, physikalisches Denken wird bei der Lektüre sozusagen nebenbei angeregt. So wird aus dem spannende Umweltkrimi gleichzeitig noch ein lesenswertes Lehrbuch. Was allein schon eine Leistung ist. Am Ende war auch Rahmstorf klar, dass es schwerer ist, für Kinder zu schreiben, als eine fachliche Studie zu verfassen. Man müsse witziger sein, brauche originelle Einfälle, um Kinder bei der Stange zu halten. Was der Physiker dann auch einlöst. Wobei sicherlich auch die kongenialen Illustrationen von Klaus Ensikat im klassischen Struwwelpeterstil helfen.
Was wichtig ist: Rahmstorf schürt keine Ängste, er klärt auf und weckt Interesse. So kann man Kinder für die sperrige Thematik sensibilisieren, so kann man sie konstruktiv in das Nachdenken über den Klimawandel einbinden. Schließlich sind sie es, die in einigen Jahrzehnten an der Lösung des Problems mitarbeiten werden, sei es als Wissenschaftler, Stadtplaner oder auch nur als Bewohner dieser Erde.
Stefan Rahmstorf entwirft kein Dogma, vielmehr unterzieht er seine Forschungsergebnisse selbst der Frage, ob es der Mensch ist, oder vielleicht doch die Sonne oder gar das Meer, die den Anstieg des Treibhausgases Kohlendioxid in der Erdatmosphäre verursachten. Er räumt auch ein, dass die Klimamodelle falsch liegen könnten, auch dass es unerwartete Parameter geben könnte, die den Klimawandel plötzlich nachhaltig abschwächen. Aber der Wissenschaftler erklärt auch schlüssig, dass dies nach heutiger Erkenntnislage leider nur Wunschdenken ist.
Für seine jungen Leser kommt Rahmstorf allerdings zu einem eher optimistischen Fazit: „Eigentlich ist es ein Glück, dass die Menschen es sind, die das Klima aufheizen. Denn das bedeutet ja, dass wir die Erderwärmung auch aufhalten können.“ Am Ende steht ein positive Utopie, wie wir im Jahr 2050 leben könnten: „Insgesamt muss ein Leben mit 80 oder 90 Prozent weniger Emission gar nicht schlechter sein als das, was wir heute führen.“ Leider muss der Forscher aber auch feststellen, dass trotz zahlreicher politischer Verhandlungen der Anstieg der Treibhausgase bis heute keineswegs gebremst werden konnte. „Vielleicht ist es Zeit, dass sich wieder Kinder einmischen, denn es geht um ihre Zukunft“, schreibt er und erinnert an die mutige Rede von der heranwachsenden Severn Cullis-Suzuki auf der UN-Konferenz von Rio de Janeiro 1992.
Stefan Rahmstorf: „Wolken, Wind und Wetter“, Ein Kinder-Uni-Buch, mit Illustrationen von Klaus Ensikat, 224 Seiten, ISBN: 978-3-421-04336-8, € 19,99
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