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Landeshauptstadt: Klinikum-Ärzte: Streik jetzt nicht sinnvoll

Bergmann-Chef und Ärzte kritisieren Marburger Bund / Betriebsrat: 26-Stunden-Schicht möglich

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Innenstadt - Es gebe „keine Diskussionen über einen Streik“, sagte gestern Wilhelm Kahle, Geschäftsführer des Potsdamer Klinikums Ernst von Bergmann. Kahle und Vertreter der Ärzteschaft dementierten auf einer gemeinsamen Pressekonferenz entsprechende Äußerungen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB). MB-Sprecher Athanasios Drougias hatte am Sonntag behauptet, die Gewerkschaft werde den Streik der Klinikärzte wie zum Beispiel an der Berliner Charité mit „großer Wahrscheinlichkeit“ auch auf das Potsdamer Krankenhaus ausdehnen (PNN berichteten). Der Sprecher der Assistenzärzte Bert Matthees sagte dazu: „Wir halten in dieser Phase einen Streik nicht für sinnvoll.“ Zudem sei der Marburger Bund weder vom Betriebsrat noch von den Assistenzärzten autorisiert worden, sich an die Presse zu wenden. Gewerkschaftssprecher Drougias distanzierte sich gestern von seiner Aussage: Derzeit gehe der Marburger Bund nicht mehr davon aus, dass in Potsdam am Ernst von Bergmann-Klinikum gestreikt werde.

Auch die Kritik des Marburger Bundes, die Arbeitsbedingungen in der Klinik seien „ganz besonders schlecht“, wies Klinik-Leiter Kahle zurück: „Das ist uns fremd.“ Die Vorwürfe seien „haltlos und anmaßend“. Drougias bekräftigte seine Äußerungen gestern gegenüber den PNN: Er habe die Informationen „durch Rückmeldungen“ von MB-Mitgliedern, die als Ärzte im Bergmann-Krankenhaus arbeiten. Assistenzarzt Matthees betonte jedoch, dass die Ärzteschaft „keine Anhaltspunkte“ für schlechte Arbeitsbedingungen habe. Er selbst arbeite ohne Wochenenddienste, aber inklusive aller Bereitschaftsdienste, rund 42 Stunden pro Woche, so Matthees. Sein Kollege Frank König sprach allerdings von „60 Stunden und mehr“. Geschäftsführer Kahle wies darauf hin, dass sein Mitarbeiter dabei von Spitzenzeiten ausgehe.

Auch nach Angaben des Betriebsratsvorsitzenden Andreas Ruttloff sei es „noch möglich“, dass ein Arzt bis zu zehn Stunden arbeitet und anschließend 16 Stunden Bereitschaftsdienst leistet. Kahle betonte, dass jede Mehrarbeit, die anfalle, in Freizeit ausgeglichen werde. Ist das nicht möglich, würden Überstunden vergütet. Laut Matthees müssten Ärzte aber teilweise bis zu drei Monaten warten, ehe sie für Nachtdienste einen freien Tag nehmen können. Doch das sind laut König „Dinge, die in Diskussion sind“. Die Geschäftsführung suche gemeinsam mit den Ärzten nach einer Lösung, wie das neue Arbeitszeitgesetz ab 2006 umgesetzt werden könnte. Das Gesetz regelt unter anderem, dass Ärzte ihre Dienste nicht mehr zusätzlich zur normalen Arbeitszeit leisten dürfen.

Jedenfalls sei der Marburger Bund dabei „nicht hilfreich“, so Kahle. Zumal die Ärztegewerkschaft gar kein Tarifpartner sei. Der seit Oktober gültige Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) wurde zwischen den kommunalen Trägern der Krankenhäuser und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen, nicht mit dem MB.

Der Marburger Bund sei „sehr wohl“ Tarifpartner, hielt Drougias dagegen. Der MB hätte den Vertrag nur nicht unterschrieben, weil dieser seine Forderungen nicht berücksichtigt. Der MB werde nun gegen die Vereinigung kommunaler Arbeitgeber-Verbände klagen, so Drougias. Gegenstand der Klage sei die „Zwangsüberführung“ der im Marburger Bund organisierten Ärzte ins neue Tarifwerk. Die dadurch entstehenden Gehaltseinbußen seien den Ärzten „nicht zuzumuten“.

So würde nach Berechnungen Drougias ein 29-jähriger, verheirateter Arzt, der jetzt als Berufseinsteiger beginnt, mit dem neuen Tarif nach zehn Jahren 31 000 Euro weniger verdienen als bisher, weil er länger auf unteren Gehaltsstufen „verharren“ müsse. Auch die Potsdamer Ärzteschaft spricht von „deutlichen Gehaltseinbußen für Ärzte“. Laut ver.di-Sprecher Ivo Litschke würden dagegen gerade Jungärzte besser verdienen, weil sich deren monatliches Grundgehalt verbessere. Einbußen gebe es nur durch das neue Arbeitszeitgesetz. Tritt dieses in Kraft, würde die Zahl der Dienste limitiert und darum auch die Zuschläge dafür – „aber weniger Arbeit und mehr Geld“ sei eben nicht durchzusetzen, so Litschke. just

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