Von Henri Kramer: Klinikum vorm Arbeitsgericht
81 Verfahren anhängig / Tack erinnert an Vorbildfunktion des Unternehmens
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Das Klinikum „Ernst von Bergmann“ gilt als wirtschaftlich erfolgreiches Gesundheitsunternehmen – und ist zugleich Dauerthema am Potsdamer Arbeitsgericht. Aktuell sind vor der Kammer, die im Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern urteilen soll, 81 Klagen gegen das Klinikum und seine Tochtergesellschaften anhängig. Das bestätigte gestern Gerichtssprecher Holger Crumbach den PNN auf Anfrage. Bei etwa 85 Prozent der Klagen gehe es um „Entgeltstreitigkeiten“ zu beispielsweise Gehältern oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Zugleich zählte das Arbeitgericht seit dem 1. Januar 2009 inzwischen 69 erledigte Verfahren, so Crumbach weiter. 52 dieser Fälle seien sogenannte Beschlussverfahren zwischen Betriebsrat und Klinikspitze gewesen, so die Statistik. Von den aktuell anhängigen 81 Verfahren tritt der Betriebsrat nur noch in drei Fällen als Kläger auf. Beim Rest der Streitsachen fühlen sich Mitarbeiter in dem mehr als 2000 Angestellte zählenden Konzern offenbar so unsachgemäß behandelt, dass sie vor Gericht ziehen.
Die Statistik aus dem Gericht wirft ein Schlaglicht auf das Innenleben des Klinikum. Wie berichtet, sind in dieser Woche Tarifverhandlungen zur ausgegründeten Service-Gesellschaft zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Klinikleitung ergebnislos abgebrochen worden. Verdi droht deswegen offen mit einem Arbeitskampf. Es geht um einen Tarifvertrag für mehr als 300 Mitarbeiter der beispielsweise für die Reinigung zuständigen Tochterfirma. Verhandelt wird dazu über Regeln, dass Beschäftigte bei der Umstrukturierung im Klinikum bei weiterhin gleicher Tätigkeit nicht schlechter gestellt werden. Beide Seiten machen sich für den vorläufigen Abbruch der Verhandlungen verantwortlich. Potsdams Linke-Chef Günther Waschkuhn hatte sich am Dienstag bereits auf die Seite von Verdi gestellt und gewarnt, Ausgründungen von Service-Gesellschaften dürften nicht zu einem „Zwei-Klassen-Betrieb“ führen.
In dieser Situation besuchte gestern Waschkuhns Parteifreundin und zugleich Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack das Klinikum und seinen Chef Steffen Grebner zu einem Informationsaustausch. Nach dem Treffen mahnte die Linke-Politikerin, kommunale Unternehmen müssten „Vorbild“ sein und dürften sich nicht an der Bildung eines Niedriglohnsektors beteiligen. In der Service-Gesellschaft werden nach PNN-Informationen derzeit teilweise nicht einmal jene 7,50 Euro pro Stunde gezahlt, die bei der bundesweiten Kampagne von Gewerkschaften als gesetzlich vorgeschriebener Mindestlohn vorgeschlagen werden.
Ob sich der Tarifkonflikt und andere Querelen im Klinikum zwischen Arbeitnehmern und Geschäftsführung, die seit rund zwei Jahren immer einmal wieder in die Schlagzeilen geraten, nachhaltig schädlich auf das Betriebsklima in dem Unternehmen auswirken, ist nicht belegt. Grebner hat für dieses Jahr eine Umfrage zur Mitarbeiterzufriedenheit angekündigt, die in Zusammenarbeit mit der Universität Potsdam erfolgen soll.
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