Von Henri Kramer: Klinikum will noch schlanker werden
Weitere Ausgründungen geplant / ver.di droht mit Warnstreik, Betriebsrat spricht von „Tarifflucht“
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Die Beschäftigten am Klinikum „Ernst von Bergmann“ müssen sich darauf einstellen, dass mehrere Bereiche ihres Hauses in eigene Firmen ausgelagert werden. Entsprechende Pläne bestätigte gestern Klinikum-Chef Steffen Grebner den PNN auf Anfrage: „Wir prüfen, ob es sinnvoll ist, weitere Töchter zu gründen.“
Dem Betriebsrat sind die Pläne bekannt. Ab 1. Januar kommenden Jahres sei unter anderem geplant, den Hol- und Bringedienst sowie das Gebäudemanagement in eine eigene Gesellschaft auszugliedern, hieß es. Nun fürchten die Arbeitnehmer die „weitere Tarifflucht“ des Klinikums, sagte Christiane Schmidt, Betriebsrätin einer schon ausgegründeten Service-Gesellschaft des Klinikums, in der zur Zeit bereits knapp 200 Mitarbeiter beschäftigt sind, etwa in der Speiseversorgung.
Schmidt führte für ihre „Tarifflucht“-Vorwurf mehrere Beispiele an: So erhalte ein Reinigungskraft nur noch 6,68 Euro pro Stunde. Neubeschäftigte hätten im Vergleich zu bereits früher Angestellten bis zu 300 Euro weniger Lohn und keinen Anspruch mehr auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Und Mitarbeiter, die Anfang 2006 vom Klinikum in die Service-Gesellschaft wechselten, seien bei der jüngsten Ost-West-Angleichung übergangen worden, die nur direkt am Haus Angestellte erhalten hätten. „Es herrscht Unzufriedenheit, die Qualität leidet“, sagte Betriebsrätin Schmidt gestern.
Zwischen 12 und 12.30 Uhr hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di eine „aktive Mittagspause“ vor dem Eingang des Klinikums organisiert. Rund 60 Beschäftigte der Service-Gesellschaft kamen. Zentrale Forderung: Der unlängst mit den Beschäftigten des Klinikums ausgehandelte Tarifvertrag solle auch für sie als ausgegliederten Mitarbeiter gelten. Doch bisher habe die Geschäftsführung des Klinikums nicht auf ein Verhandlungsangebot seiner Gewerkschaft reagiert, sagte Georg Büttner-Meyer von ver.di: „Das kann nicht sein.“ Sollte sich die Geschäftsführung weiter nicht melden, werde die zuständige Tarifkommission über Warnstreiks entscheiden.
Die Geschäftsführung des Klinikums reagierte auf die Aktion gestern abwartend. „Wir werden mit dem Betriebsrat sprechen“, sagte Klinik-Chef Steffen Grebner. Dagegen sehe er „keine Notwendigkeit“, mit ver.di zu sprechen. Auch von Warnstreiks gehe er nicht aus, so Grebner. Gleichzeitig verteidigte er den Kurs seines Hauses, einzelne Geschäftsteile auszugliedern – dies sei bundesweit bei 60 Prozent aller Krankenhäuser so üblich. „Wir stehen im Wettbewerb zu anderen Häusern, etwa hier oder in Berlin: Daran müssen wir uns messen“, sagte Grebner. Das Klinikum würde sich daher an den „Marktpreisen“ orientieren – und sogar „leicht“ darüber bezahlen. Wichtig sei ihm, dass Ausgründungen seines Unternehmens noch hundertprozentige Töchter bleiben – statt für bestimmte Dienstleistungen auswärtigen Anbieter beauftragt zu haben.
Auch Elona Müller als Aufsichtsratsvorsitzende und Gesundheitsbeigeordnete lobte den Kurs der Klinik. Vor drei Jahren habe sich die Stadt trotz „drohender finanziellen Schieflage“ gegen einen Verkauf des Klinikums entschieden. In der Folge habe keinem der rund 1700 Mitarbeiter gekündigt werden müssen, das Haus sei wirtschaftlich gesundet: „Bei einem Verkauf hätte ein privater Betreiber die Klinik noch ganz anders durchsaniert.“
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