Landeshauptstadt: Knicks vor der Kaiserin
Die Potsdamerin Wally Müller feierte gestern ihren 101. Geburtstag – sie hat schon viel erlebt
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„Manche sagen ja, die Dreizehn bringe kein Glück, aber mir hat der liebe Gott immer ein bisschen geholfen“, sagt Wally Müller. Gestern, am Freitag dem 13., feierte sie ihren 101. Geburtstag. Und dieser Tag ist alles andere als ein Pechtag für sie, schließlich wurde sie auch im Jahr 1906 an einem Freitag, dem 13., geboren. Wie viele ihrer Geburtstage auf diesen besonderen Tag fielen, weiß sie nicht mehr genau – es erscheint auch eher nebensächlich in ihrem bewegten Leben.
Wally Müller wuchs mit einem Bruder und zwei Schwestern in Potsdam auf. Sie wurde Beamtin im Fernmeldeamt, „damals hat man die Gespräche der Leute ja noch mit anhören können“, nickt sie. In Potsdam erlebte sie auch die Zeit der NS–Herrschaft, ebenso die DDR. Mit dem Programm „Kraft durch Freude“ der Nationalsozialisten unternahm sie mehrere Reisen, unter anderem fuhr sie mit dem Schiff nach Norwegen. Auch wenn sie den Krieg als eine Zeit der Trauer und des Verlustes erlebt hat, tat dies ihrer Reiselust keine Abbruch. Da sie selbst keine Kinder hat, konnte Wally Müller nach Herzenslust herumreisen: „Italien hat mir immer am besten gefallen, da bin ich einmal rund um den Stiefel gefahren“, erzählt sie.
Als junges Mädchen hat sie sogar einmal das Kaiserpaar auf einem Besuch in Potsdam gesehen. „Die Kaiserin ging an mir vorbei“, berichtet Wally Müller. „Ich machte einen Knicks, aber als ich dann wieder hochschaute, war die Kaiserin schon weitergegangen. Ich war so enttäuscht, dass ich anfing zu weinen“, berichtet sie.
Heute wohnt sie nach einem kurzen Abstecher nach Hannover wieder in ihrer Heimatstadt Potsdam, im Betreuten Wohnen der Hoffbauerstiftung in der Zeppelinstraße. Dort feierte sie gestern auch ihren Geburtstag – gemeinsam mit den andern Mitbewohnern des Hauses und ihrer Familie. Diese ist inzwischen recht groß geworden: Fünf Urgroßneffen und -nichten hat Wally Müller inzwischen, wie Neffe Siegfried Müller berichtet. Und auch Heide Müller, Großnichte und Patenkind der Jubilarin kam, um zu gratulieren. Wally Müller erzählt, dass sie ein bisschen Sorge gehabt habe, nicht mehr fit genug für die große Feier zu sein. „Ich dachte, das geht alles nicht mehr in meinen Döz hinein“, sagt sie. Doch auf der Feier unterhielt sie sich munter mit Bürgermeister Burkhard Exner. Auch ihr Neffe Siegfried bescheinigt seiner Tante, dass sie geistig immer noch sehr rege sei. „Sie schimpft zwar immer, wenn irgendetwas nicht klappt, aber sie legt großen Wert auf ihre Erscheinung.“ Ein Geheimrezept, mit dem sie so alt geworden ist, hat Wally Müller aber nicht: „Wenn ich nur wüsste, woran das liegt. Ich mache jedenfalls morgens regelmäßig Gymnastik, strecke meine Zehen!“, berichtet sie. Tipps dieser Art kann sie mit Paula Sommerfeld austauschen, die ebenfalls in der Zeppelinstraße wohnt. Auch sie hat schon ihren 101. Geburtstag gefeiert. Zweimal in der Woche treffen sich die beiden Damen zum gemeinsamen Kaffeeklatsch. Und auch ein kreatives Hobby hat Wally Müller: Aus Bildern fertigt sie Kollagen an, die ihre selbstgeschriebenen Gedichte schmücken. Ihr Wunsch zu ihrem 101. Geburtstag: „Dass meine Nichten und Neffen mich weiterhin so gut umsorgen.“ Frida Thurm
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