zum Hauptinhalt
Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde brachten am Samstag große Portionen für Potsdamer Bedürftige in die Suppenküche – es gab Hühnchen und Reis auf indische Art.

© M. Thomas

Suppenküche der Volkssolidarität Potsdam: Kochen für Frieden und Toleranz

Am Samstag kochten Mitglieder der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde aus Berlin für Bedürftige in Potsdam ein indisches Essen. Als Beitrag zur Integration, wie sie sagen.

Stand:

Potsdam - Siegfried Schmüling hat Zeit. Geduldig sitzt der 81-Jährige am Samstag vor Ostern an einem der Tische in der Suppenküche der Volkssolidarität auf dem Gelände der Potsdamer Stadtverwaltung und wartet auf ein warmes Mittagessen. „Ich bin immer hier, es ist günstig und man trifft viele Leute“, sagt der Rentner. Heute sei es allerdings nicht wie immer – Mitglieder der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde aus Berlin würden erwartet, um den rund 30 anwesenden Bedürftigen kostenlos ein indisches Essen zu servieren. Normalerweise kostet ein Gericht in der Suppenküche zwei Euro. „Ich bin schon gespannt“, sagt Schmüling – auch, ob es scharf sei.

Doch nicht nur für die Bedürftigen in der Suppenküche ist es ein nicht alltäglicher Termin. Der Leiter der Potsdamer Suppenküche, Peter Müller, erzählt: „In Berlin haben die Mitglieder der Gemeinde schon oft Bedürftige bekocht, vor einer Weile haben sie uns dann angesprochen.“ Zunächst habe man nicht so richtig gewusst, mit wem man es bei der „Ahmadiyya Muslim Jamaat“, wie sich die Gemeinde nennt, zu tun habe, sagt er. Ein Termin sei dann aber schnell zustande gekommen, nachdem sich der Landesverband Brandenburg e.V. der Volkssolidarität über die Glaubensgemeinschaft informiert habe – diese wolle der Welt zeigen, dass sie einen friedlichen Islam vertrete und sei deswegen bedenkenlos eingeladen worden.

T-Shirts mit Aufdruck "Muslime für Frieden"

Und dann sind sie auch schon da, die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde. Mit ein wenig Verspätung zwar, aber dafür mit zwei riesigen Töpfen voller Reis und Hühnchen, kommen fünf Männer in T-Shirts mit der Aufschrift „Muslime für Frieden. Liebe für alle, Hass für keinen“, die die Töpfe in die Suppenküche tragen. „Der Spruch ist ja gut“, ruft eine Frau, und es kommt zu einem neugierigen Gedränge an der Essensausgabe, als die Töpfe in der Küche abgestellt werden. „Eigentlich bin ich ja mehr für die deutsche Küche, aber man kann ja mal was Neues probieren“, sagt der 76-jährige Jürgen Wecke, der gemeinsam mit seinem Freund Siegfried Schmüling hergekommen ist. Schon Syrer hätten einmal für sie gekocht, und Afrikaner, aber Indisch, das hätte es noch nicht gegeben. „Und so viel Rummel auch nicht“, sagt er, und meint damit die vielen Fotografen und das Fernsehen – das Interesse an der Bekochung durch die Ahmadiyya-Gemeinde ist offenbar groß, und es dauert eine Weile, bis die ersten Portionen im Blitzlichtgewitter auf Tellern verteilt werden.

„Für uns ist das ein Beitrag zur Integration“, erklärt Munir Shahid zu der Kochaktion. Er stellt sich als Beauftragter für soziale Angelegenheiten der muslimischen Gemeinde vor. „Dort, wo man wohnt, sollte man gute Dinge tun.“ Das sei auch Bestandteil des Islam. So würden sie nicht nur Bedürftige bekochen, sondern auch andere Aktionen ins Leben rufen, wie etwa symbolische Baumpflanzungen deutschlandweit, die als Zeichen für die tiefe Verwurzlung der Ahmadiyya-Mitglieder in Deutschland stünden und ein Zeichen für Frieden und Toleranz seien. Auch für Potsdam habe er das im Rathaus angefragt, aber bislang noch keine positive Rückmeldung erhalten, sagt er. Grundsätzlich habe die Gemeinde sehr gute Erfahrungen mit Aktionen wie diesen gemacht, um Vorurteile abzubauen. Zur aktuellen Diskussion über den Islam sagt er: „Ich kann nur sagen, dass wir von radikalen Moslems ganz, ganz weit entfernt sind – wir leben unser Motto.“ In Berlin habe man deshalb auch keine Probleme mit mangelnder Toleranz, grundsätzlich suche die Gemeinde das Gespräch.

Bedürftigkeit ist ganzjährig vorhanden - nicht nur an Weihnachten

Dass die Volkssolidarität mit Blick darauf ebenfalls ein Zeichen setzen wolle, sagt auch Bernd Maaß, der seit zehn Jahren ehrenamtlich in der Suppenküche mithilft. „Sowas wie heute soll dazu beitragen, die Menschen zusammenzubringen und Verständnis für beide Seiten zu schaffen.“ Nicht selten sei es nämlich zu Äußerungen des Unmuts gekommen, etwa wenn Bedürftige beobachtet hätten, dass Kinder von Flüchtlingen mit neuen Fahrrädern auf das Gelände der Stadtverwaltung zur Ausländerbehörde gekommen seien. Da sei die jeweilige Bedürftigkeit schwer erklärbar, so Maaß.

Flüchtlinge gebe es nämlich in der Suppenküche nicht, in der Ahmadiyya-Gemeinde aber durchaus, wie Munir Shahid sagt. „Und der Samstag vor Ostern ist prima, wir haben die Möglichkeit, zu zeigen, dass Bedürftigkeit ganzjährig vorhanden ist, nicht nur an Weihnachten“, so Maaß. Somit habe man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Das soll wiederholt werden: Ein weiteres Essen für Bedürftige von der Ahmadiyya-Gemeinde in Potsdam sei bereits im Gespräch, sagt Peter Müller. Einen Termin gebe es aber noch nicht.

„Die können gerne wiederkommen“, sagt am Ende auch Siegfried Schmüling. Ihm habe es sehr gut geschmeckt. „War auch gar nicht so scharf, nur ein bisschen.“

Hintergrund: Wer ist die „Ahmadiyya Muslim Jamaat“?

Die Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat wurde 1880 in Indien gegründet und versteht sich als Reformbewegung für einen dialogorientierten Islam, dessen Verbreitung ausschließlich unter Verzicht auf Gewalt angestrebt wird. Die Bewegung lehnt den Dschihad ab und propagiert Religions- und Meinungsfreiheit. In Deutschland bekennt sich die Gemeinschaft öffentlich zum Grundgesetz und ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Geführt wird sie von einem als Kalif bezeichneten spirituellen Oberhaupt, seit 2003 von Hadhrat Mirza Masroor. Unter dem Motto „Liebe für jeden – Hass für keinen“ informieren Mitglieder regelmäßig in deutschen Städten und Gemeinden an Straßenständen über ihren Glauben und eigene soziale Programme, zu denen etwa das Kochen für Bedürftige oder Hilfsaktionen in Katastrophensituationen gehören.

Nach eigenen Angaben ist die Gemeinde weltweit mit mehreren Zehnmillionen Mitgliedern in 204 Ländern vertreten, davon in Deutschland mit mehr als 40 000. In Berlin gibt es nach Informationen der Gemeinde etwa 300, in Brandenburg um die 100 Anhänger. Die Ahmadiyya wird von vielen anderen Muslimen als Irrlehre abgelehnt und in Staaten wie Pakistan bekämpft und verfolgt.

Westliche Kritiker werfen der Bewegung mit Blick auf eine strenge Geschlechtertrennung und Ablehnung von Homosexualität immer wieder einen rückwärtsgewandten Islam vor. 

Andrea Lütkewitz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })