SERIE: Kochtopf 50 D-Mark, Kohlroulade 4,50
Heute vor 20 Jahren löste die „harte“ Mark die Mark der DDR ab. Potsdamer erinnern sich
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Ein Jubeltag. Anders kann man die Stimmung an diesem 1. Juli 1990 auch 20 Jahre später nicht beschreiben. „Euphorie“ und „Volksfeststimmung“, diese Worte fallen immer wieder, wenn sich die Menschen an den Tag der Währungsunion in Potsdam erinnern. Die Aussicht, endlich „richtiges Geld“ in den Händen zu halten, hatte auch die Potsdamer in hellen Scharen zu den Banken getrieben, die an jenem Sonntag durchgehend geöffnet hatten.
„Da war buchstäblich die Hölle los“, sagt Petra Junker schmunzelnd. Die Angestellte der Mittelbrandenburgischen Sparkasse hatte damals Schalterdienst in der Filiale am Luisenplatz. Im Tresor lagerten die frischen D-Mark-Scheine. Wie viel es genau war, weiß sie heute nicht mehr, aber „sicher Millionen“. Tausende Kunden standen schon morgens Schlange, an zehn Schaltern wurde ausgezahlt und DDR-Mark gegen das begehrte „harte“ Pendant der Bundesbank getauscht. „Säcke- und kistenweise“ habe man die ausgediente DDR-Währung nach hinten getragen, erinnert sich Junker. Trotz langer Wartezeiten sei die Stimmung „euphorisch“ gewesen.
So hat es auch Christel Grund erlebt, damals für die Grundkreditbank in Fahrland im Einsatz, etliche Fusionen später die Berliner Volksbank. Schon lange vor der Öffnung der Bank um 9 Uhr hatte sich eine Schlange gebildet. „Man war ja so aufgeregt wegen des neuen Geldes“, beschreibt Grund das damalige Gefühl. „Und wir waren froh, den Kunden das Geld geben zu dürfen.“ Die revanchierten sich mit Verpflegung und frischem Kaffee, um den Bankangestellten ihren stressigen Tag zu erleichtern. Vor allem ältere Menschen hoben gleich die kompletten 4000 D-Mark ab, die sie eins zu eins getauscht bekamen. „Viele hatten ja auch Angst, wie es jetzt weitergeht. Die Unsicherheit war groß.“ Auch bei Monika Köhler. In ihrem Haushaltswarengeschäft haben sich Generationen von Babelsbergern ausgestattet. Doch würde das auch mit der neuen Währung so sein? Schon den ganzen Juni über sei neue Ware geliefert worden, sagt Köhler heute. Abends, nach Geschäftsschluss, wurde eingeräumt, bis zum letzten Tag das Schaufenster neu dekoriert. Dann packte sie die Angst. „Ich dachte, ein Kochtopf für 50 D-Mark – um Gottes Willen, so etwas verkaufen wir nie.“ Schließlich hatte ein Alu-Kochgeschirr in der DDR nur 4,95 Mark gekostet. Doch sie irrte sich. Die Kunden kamen am ersten Geschäftstag nach der Union, am Montag, dem 2. Juli. Und sie kauften „allerlei“, wie Köhler sagt. Abends nahm die Familie dann die ganzen Scheine und breitete sie auf dem Fußboden aus. „Guckt mal, wir haben D-Mark eingenommen.“
Im Sportrestaurant „Hiemke“ sah man den Dingen gelassen entgegen. Ein Bekannter, ein Gastronom aus Spandau, half bei der Preiskalkulation. Das kleine Bier für 1,70 D-Mark, die Kohlroulade für 4,50 D-Mark. Kaum zu glauben aus heutiger Sicht. „Wir waren viel zu billig damals“, sagt Ursula Zander rückblickend, die mit ihrem Mann Norbert das Lokal seinerzeit leitete. Doch an jenem ersten D-Mark-Tag herrschte bei „Hiemke“ noch ein Zwei-Kassen-System. Nicht alle Stammkunden waren schon „umrubeln“, also wurde auch DDR-Mark angenommen, Kurs zwei zu eins. Manch einer ließ auch anschreiben. Gefreut haben sich die Zanders über das neue Geld wie alle anderen auch. „Rein wirtschaftlich gesehen“, sagt Norbert Zander, „waren die ersten Jahre sehr gut.“
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