Von Günter Schenke: Konflikt um Tram nach Golm
Bewohner in Eiche organisieren sich gegen Nord-Trasse / Initiative: Baustart 2012 geplant
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Eiche – Christiane Erning hat nur hundert Zettel verteilt. Daraufhin kamen mehr als sechzig Bewohner von Eiche am Donnerstagabend zur Protestversammlung gegen die geplante Straßenbahn von Potsdam in den Wissenschaftspark Golm. „Ich dachte an einen Aprilscherz, als ich von den Plänen erfuhr“, sagte Erning. Da es aber doch ernst schien, fragte sie bei der Stadtverwaltung nach, eine andere Bürgerin rief beim Unternehmen Semmelhaack an, dessen Wohngebiet die Trasse touchiert. Das Wohnungsunternehmen kannte die Tram-Pläne noch nicht.
Doch am 25. Februar war wie berichtet der Ortsbeirat Eiche durch Stadtverwaltung und Verkehrsbetrieb über drei Varianten einer Trassenführung für die Straßenbahnlinie informiert worden. Die Verwaltung favorisiert folgenden Verlauf: Kastanienallee, Rückseite der Geschwister-Scholl-Straße, Bahnhof Park Sanssouci, westlich vorbei an der Straße Am Neuen Palais, Rückseite der Studentenheime, am Polizeipräsidium vorbei durch Wald und Grundstücke zur Südflanke des Alten Rades, über die Lindstedter Straße, Golmer Fichten, Campus und Bahnhof Golm bis zum Wissenschaftspark.
Noch am 30. Januar hatte Verkehrsbetriebs-Geschäftsführer Martin Weis beim Linke-Frühschoppen in Golm erklärt, dass mit einer Vorlaufzeit der Planung von zehn Jahren zu rechnen sei. Jetzt soll nach Informationen der Bürgerinitiative alles viel schneller gehen. Bereits 2012 sei mit dem Baubeginn zu rechnen, so Gründerin Erning. Grund seien Fördermittel, die zur Anbindung des Technologiezentrums Golm fließen könnten.
Auf der Versammlung am Donnerstagabend machten mögliche Betroffene ihrem Unmut Luft. Doch es war niemand anwesend, der als Sündenbock an der Pranger gestellt werden konnte: Die Mitglieder der Ortsbeiräte Golm und Eiche hielten sich zurück. Sie sind im Auftrage ihrer Parteien die gewählten Interessenvertreter der Ortsteile. Im Ortsbeirat Eiche gibt es keinen einhelligen Konsens mit der „außerparlamentarischen Protestbewegung“ in Form der Bürgerinitiative, die nicht über Varianten reden will, sondern die Tram-Trasse gänzlich ablehnt. Eberhard Kapuste (CDU), Mitglied im Eicher Ortsbeirat, erklärte am Donnerstagabend, wie die Dinge gewöhnlich laufen: Die Verwaltung gibt einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung, diese überweist ihn in die Fachausschüsse. Dann beraten dort Stadtverordnete über die Pläne. „Dort kann der Antrag auch abgelehnt werden“, so Kapuste. Die CDU jedenfalls sei gegen die Trasse. Aber ob im Rahmen der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Bündnisgrünen und FDP die Fraktion die neue Tramlinie gemeinsam mit den anderen Partnern ablehnen werde, sei nicht vorherzusagen, so Kapuste. Der SPD-Ortsverein Eiche-Golm-Grube hatte am 10. März auf seiner Klausurtagung die Straßenbahn abgelehnt und sich für eine Ringbus-Variante ausgesprochen.
Die Bürgerinitiative jedenfalls will jenseits der gewählten Gremien eine Einwohnerversammlung erzwingen. Einzelne Bürger beschwerten sich, dass sie Informationen „hinterher tappen“ müssen. Gefordert sei eine „ganz breite Beteiligung“, jeder betroffene Bürger müsse aufgesucht werden.
Dass eine Verkehrslösung für den Wissenschaftsstandort notwendig ist, dafür spricht unter anderem eine aktuelle Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam unter Mitwirkung des Wissenschaftsparks. 11000 Menschen pendeln täglich nach Golm. Sie brauchen solide Beförderungsangebote. Die IHK-Studie favorisiert hierfür die Eisenbahn. Die Straßenbahn könne gegenüber dieser keine Vorteile verbuchen, heißt es. Wie Standortmanager Friedrich Winkowski mitteilt, stehe auch die Verkehrskommission der Universität auf dem Standpunkt: „Eine Straßenbahn brauchen wir nicht.“
Günter Schenke
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