zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Königliches Würstchen

Potsdam hat seine Wurst bekommen – erfunden nach einem „Küchenzettel“ von 1790

Stand:

Nauener Vorstadt - Am 5. Oktober 1790 hat Friedrich Wilhelm II. sie zum Abendessen im Marmorpalais verspeist: Andouillen à la ravigotte – zu Deutsch Kalbswürstchen mit Kräutern. So ist es auf einem „Küchenzettel“ dokumentiert, der im Geheimen Staatsarchiv in Berlin aufbewahrt wird. Dass der König die Würstchen tatsächlich gegessen hat, davon sei auszugehen, sagt Bärbel Stranka, bei der Schlösserstiftung Expertin für preußische Schlossküchen: „Friedrich Wilhelm II. liebte die deftige Küche.“

Das können ihm die Potsdamer jetzt gleichtun – denn seit knapp drei Wochen ist das „Potsdamer Würstchen“ auf dem Markt. Kreiert haben es frei nach dem „Küchenzettel“ von 1790 der Babelsberger Fleischermeister Christian Meissner und Gastronom Maximilian Dreier, der das Restaurant Villa Kellermann vis á vis des Marmorpalais betreibt. Für die historische Vorlage sorgte Günter Voegele, Kastellan des Marmorpalais, – und auch Fleischermeister Meissner konnte auf eine Tradition zurückgreifen: Sein Großvater Heinrich war 1910 offiziell vom Kronprinzen zum Hofschlächter des preußischen Königs- und Kaiserhauses ernannt worden.

Erstmals serviert wurde das „Potsdamer Würstchen“ zur Italienischen Nacht am Marmorpalais der Villa Kellermann. Die Gäste hätten sich begeistert gezeigt, und seit dem verkauft Meissner in seiner Fleischerei in der Karl-Liebknecht-Straße und auf dem Markt am Nauener Tor pro Woche zwischen 20 und 25 Kilo der „Potsdamer Würstchen“. Zweimal die Woche müsse er die herzhaften Würste herstellen – dies geschehe direkt in Babelsberg und ausschließlich mit „Neuland“-Fleisch aus der Lüneburger Heide. Die dortigen rund 120 Neuland-Höfe dürfen nach Angaben Meissners nur eine bestimmte Zahl von Tieren halten, das Futter stamme aus heimischer Erzeugung, die Tiere hätten das ganze Jahr Auslauf und die Wurst werde ohne Glutamat und Phosphat hergestellt.

Welche vier Kräuter das „Potsdamer Würstchen“ genau enthält, wollen Meissner und Dreier nicht verraten. Dafür wollen sie ihre Kreation offiziell registrieren lassen – unter dem Namen „Potsdamer Würstchen“. Auch ein spezieller Senf dazu ist in Arbeit. Vom Erfolg der Idee sind beide überzeugt, zumal es bisher zwar „Wiener“ und „Frankfurter“ Würstchen gebe, aber keine „Potsdamer“. „Und es ist ja historisch verbürgt, dass es diese Wurst hier mal gab“, so Dreier. Ein „Potsdamer Würstchen“ wiegt rund 50 Gramm – und pro Kilo berechnet Fleischer Meissner 15,90 Euro.

Gefertigt wurden die Kalbswürstchen damals wohl in der Küche des Marmorpalais, die sich hinter der Fassade der Tempelruine am Heiligen See verbirgt. Bis zum Auszug des späteren Kaiserpaars Wilhelm (II.) und Auguste Victoria war die Küche weitaus größer und sehr gut ausgestattet, so Kastellan Voegele. Bereits damals habe es in der Küche eine Hähnchenwende-Maschine gegeben. Hoflieferanten wurden allerdings erst spät im 19. Jahrhundert „erfunden“, sagt Expertin Stranka. Dass der Kronprinz dabei auf Meissners Großvater Heinrich zurückgriff, verwundert nicht: Er wurde von den Potsdamern „Hammelkönig“ genannt – weil er in seinem Laden in der Breiten Straße in den wenigen Minuten, in denen das Glockenspiel der Garnisonkirche spielte, einen ganzen Hammel aus dem Fell „stechen“ konnte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })