Von Henri Kramer: Konkurrenz für „Wildwuchs“
Ex-Prokurist der Berliner Treberhilfe übernimmt Straßensozialarbeit für erwachsene Potsdamer
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Für das sensible Thema Straßensozialarbeit setzt die Stadtverwaltung auf einen für Potsdam völlig neuen Träger. Ab dem 1. Dezember wird die gemeinnützige Creative Sozialarbeit (Creso) gGmbH die aufsuchende Straßensozialarbeit mit Erwachsenen an sozialen Brennpunkten der Landeshauptstadt, etwa am Hauptbahnhof, übernehmen. Das teilte Ordnungsdezernentin Elona Müller (parteilos) am Dienstagabend im Sozialausschuss mit.
Das zunächst auf zwei Jahre begrenzte Modellprojekt mit dem „Creso“-Träger ist dabei eine Reaktion auf die Diskussion um ein Alkoholverbot rund um den Hauptbahnhof. Im Juni hatte Müller dabei für ihr Dezernat Versäumnisse einräumen müssen: Ein schon 2008 beschlossenes Konzept zur aufsuchenden Sozialarbeit – gerade für Trinkergruppen auf öffentlichen Plätzen – sei noch nicht umgesetzt. Danach hatte die Stadt eine Ausschreibung gestartet, es geht nach Verwaltungsangaben um ein Auftragsvolumen von rund 50 000 Euro im Jahr.
Die Ausschreibung hat nun die erst im August dieses Jahres gegründete „Creso“-Gesellschaft mit Hauptsitz in Berlin gewonnen. Die Personen hinter dem Sozialunternehmen sind in Potsdam allerdings schon länger bekannt. Einer der zwei Geschäftsführer von „Creso“ ist Jochen Becker, der frühere Prokurist der Treberhilfe Brandenburg gGmbh, die Anfang des Jahres fast den Auftrag zum Betrieb und Bau eines neuen Potsdamer Tierheims mit angedocktem Sozialprojekt erhalten hätte. Wegen der „Maserati“-Affäre um die Berliner Treberhilfe hatte die Stadt schließlich aber alle Verhandlungen abgebrochen. Hinter Jochen Beckers neuen „Creso“-Firma steht allerdings nach Unternehmensangaben die GBB Gesellschaft für berufliche Bildung mbH aus Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen. Zugleich jedoch ist der Unternehmenszweck von „Creso“ und „Treberhilfe Brandenburg“ laut Handelsregister teilweise wortgleich, etwa „die Förderung der Wohlfahrtspflege, insbesondere Obdachlosen, Drogenabhängigen sowie von Sucht- und Rauschmittel Gefährdeten (einschließlich entsprechend gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen) auf der Ebene ihrer Situation und Betroffenheit zu begegnen und zu helfen“. Mit einer Bewertung der bisherigen Arbeit der „Creso“ hielt sich Müller im Ausschuss zurück. Der neue Träger werde mit einem Sozialarbeiter den Auftrag übernehmen, teilte sie mit.
Für eine Überraschung sorgte die Nachricht über die Vergabe an „Creso“ gestern im Treffpunkt Freizeit. Dort fand eine Fachtagung der „Wildwuchs“-Straßensozialarbeiter des Diakonischen Werks anlässlich ihres zehnjährigen Jubiläums statt. Seitdem hat der Träger die Aufgabe der aufsuchenden Straßensozialarbeit unter jungen Potsdamern inne – und hatte sich mit dieser Erfahrung auch bei der jetzt von „Creso“ gewonnenen Ausschreibung beworben. Während einer Podiumsdiskussion am Ende der Tagung teilte Dezernentin Müller mit, dass der Auftrag nun jedoch anderweitig vergeben worden sei – und das beide Streetwork-Projekte künftig vernetzt miteinander arbeiten sollten. „Das hat uns bisher so noch niemand gesagt“, sagte danach ein sichtlich verblüffter Stephan Mertens, Vize-Chef des „Wildwuchs“-Teams.
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