
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Korpulente Dame im Badeanzug
Potsdams ältester Zeichenzirkel feiert 30. Geburtstag. Bei der Frage der Maltechnik herrscht Demokratie
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Donnerstagnachmittag sitzen die Hobbymalerinnen um den gedeckten Tisch und lassen die zeichnerische Arbeit mal Arbeit sein. Der Zeichenzirkel der Kunstwerkstatt Zentrum-Ost feiert seinen 30. Geburtstag. Für einen Mal- und Zeichenzirkel ist das ein beachtliches Alter und doch ist das Bemühen um den künstlerischen Ausdruck noch immer frisch und ungebrochen. Gerade sind die Bilder für den Jahreskalender fertig geworden. Wer welchen Monat gestalten durfte, wurde ausgelost. Es sind schöne Landschaften entstanden, eine korpulente Dame sonnt sich im Badeanzug, Katze und Vogel stehen für Sommer und Herbst. Der Zirkel hat im Moment zehn Mitglieder und das sei „gerade die richtige Zahl“, meint Zirkelleiterin Gisela Nommensen. Als man sie überschritten habe, sei es bei großformatigen Arbeiten schwierig geworden, alle um einen Tisch zu versammeln.
Die malenden und zeichnenden Damen haben die Demokratie geradezu gepachtet, denn was gemacht wird und mit welcher Technik man sich beschäftigen will, wird immer gemeinsam beschlossen. Im Moment ist man dabei, sich der Aquarellmalerei zu widmen, die als schwierig gilt. Dem Porträt hat man sich schon zuvor über Wochen und Monate genähert und beachtliche Resultate erzielt. Am Ende einer jeden Zusammenkunft alle 14 Tage wird grundsätzlich immer gemeinsam bewertet, was jeder zustande gebracht hat. Das geschieht freundlich helfend und so kommt selbst bei heftigerer Kritik keine Missstimmung auf. Man kennt sich längst so gut, dass jeder um die Stärken und Schwächen der anderen weiß. Sommertreffs in diesem und jenem Garten der Zirkelmitglieder verstärkten zudem über die Jahre den Zusammenhalt. Elfie Beewen ist zum Beispiel von Anfang an dabei. Obwohl sie noch halbtags arbeitet, hält sie ihrer künstlerischen Heimat die Treue. Auch Steffi John, die in Beelitz wohnt und in der Stadt- und Landesbibliothek arbeitet, könnte sich ihr Leben ohne das Malen nicht vorstellen. Auf der Arbeit nehme man mit dem Spätdienst auf die Zirkelarbeit Rücksicht, erzählt sie. Und zu Hause werde weiter gezeichnet und gemalt.
Dieser eingeschworenen Gemeinschaft konnten selbst die einschneidenden Jahre der Wende nichts anhaben. Außer, dass sich so nach und nach auch noch die letzten zeichnenden und malenden Herren verabschiedeten und Zirkelleiter Frank Wittstock durch die „Nachrückerin“ Gisela Nommensen ersetzt wurde. „Man hat mich damals einfach ins kalte Wasser geschmissen“, erzählt Nommensen. Als für Wittstock der Beruf so viel Kraft erforderte, dass er den Zirkel nicht mehr leiten konnte, sprang sie ein. Noch immer ist sie die künstlerische Seele der Treffs, sieht sich aber als Gleiche unter Gleichen.
Dass man sich auch weiter im Parterre des Hochhauses in Zentrum-Ost treffen kann, garantiert nach wie vor die Gewoba und – erklärt Nommensen – das soll auch in Zukunft so bleiben. War zu DDR-Zeiten die Zirkelmitgliedschaft kostenlos, so muss jetzt zumindest für die Betriebskosten der Räume ein Obolus entrichtet werden, und der stieg gerade auf 4,50 Euro pro Treff. Doch die Damen murren nicht.
Natürlich gibt es auch bei einer so eingeschworenen Gemeinschaft Veränderungen. Zirkelmitglieder scheiden aus, weil sie umziehen oder sterben, neue rücken nach. Die älteste Hobbymalerin wurde 93 Jahre alt und sie war bis zuletzt dabei. Nun ist Inge Kiener mit 81 Jahren die Älteste, aber auch die Jüngste zählt schon 57 Lenze. Man wird sich also trotz guter Auslastung nach Nachwuchs umsehen müssen.
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