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Von Henri Kramer: Krankenkasse brüskiert Klinikum

Mitten in Budgetverhandlungen kritisiert die AOK das kommunale Unternehmen / Grebner wehrt sich

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Es ist gemeinhin ein sperriges Thema, wenn das Klinikum „Ernst von Bergmann“ und die Krankenkassen darüber verhandelt, welches Budget das Krankenhaus bekommen soll – doch dieses Jahr haben diese Gespräche mit einem nur wenig diplomatischen Paukenschlag begonnen. Denn in einer Tageszeitung holte gestern der Verhandlungsführer der Kassen, die AOK, zum kritischen Rundumschlag gegen das kommunale Unternehmen aus.

Die Kernkritik mitten in den Gesprächen über Millionenbeträge: Obwohl das Klinikum überdurchschnittlich hohe Summen von den Kassen erhalte, werde davon zu wenig für Pflegekräfte aufgewendet. Pikanterweise bezieht sich ein Teil der Kritik auf eine im Ton damals freudig gehaltene Mitteilung des Klinikums vom Oktober, 45 neue Fach-Pflegekräfte eingestellt zu haben. „Bei der Fluktuation im Klinikum bleibt davon nur wenig übrig“, sagte gestern Jörg Trinogga, Sprecher der AOK. Netto habe es nur 15 neue Mitarbeiter gegeben. Zu wenig nach Vorstellungen der AOK, die Zahl der Patienten auf einen Pfleger sei zu hoch. Nun aber werde vom Klinikum mit einem neuen Stellenplan neues Geld gefordert. Gleichzeitig wachse das Konzernergebnis seit Jahren, bei gleichen Personalkosten, so Trinogga.

Die Spitze des Klinikums reagierte auf die Vorwürfe gestern verstimmt. „Wir setzen Kassenmittel korrekt ein“, sagte Klinikchef Steffen Grebner. Er könne die Aussagen der AOK so nicht nachvollziehen. Als ein Beispiel nannte er die „Weiße Liste“ 2009, die von der AOK selbst herausgegeben werde. Dort stehe das Klinikum mit dem Verhältnis von einer Pflegekraft auf 44 Patienten, so Grebner – der Brandenburger Schnitt läge dagegen bei 65 Fällen und in der Berliner Charité beispielsweise bei 50. Trinogga hatte die Pflegequote im Klinikum als „bedrohlich“ bezeichnet. Grebner nannte dies gestern „schlicht falsch“. Im Gegenteil seien in diesem Jahr die Fachpfleger noch entlastet worden, sagte Grebner – etwa durch 15 Stationsassistenten und 14 Mitarbeiter für den Patiententransport. Auch Aufsichtsratchefin Elona Müller, Sozialdezernentin der Stadt, zeigte sich sehr „verwundert“, solche Vorwürfe gehörten nicht in die Öffentlichkeit, sondern in die laufenden Verhandlungen. Ob sich dort das Klima zwischen AOK und Klinikum wieder bessert, ist aber fraglich: Nach PNN-Informationen soll der langjährige Budget-Verhandlungsführer der AOK seit diesem Jahr beim Klinikum arbeiten.

Mit der Kritik reiht sich die AOK ein in eine Liste von Kritikern wie der Gewerkschaft Verdi, die kritisiert, die Personalpolitik im Klinikum gehe zulasten der Beschäftigten. Denn trotz der stetigen Gewinne und dem Wachstumskurs des Klinikums hatte es in diesem Jahr auch negative Schlagzeilen gegeben, besonders wegen der hohen Arbeitsbelastung. Dies scheint trotz der Neueinstellungen noch ein Problem. So hat der Betriebsrat aktuell bereits rund 650 „Überlastungsanzeigen“ registriert, die Angestellte einreichen können, weil sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt knapp 800. „Die Situation ist noch nicht entschärft“, hieß es aus dem Betriebsrat gegenüber den PNN. Und viele der von Grebner genannten Verbesserungen seien erst nach „massivem Druck“ auf die Klinikspitze erreicht worden.

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