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Homepage: Kräuselungen der Raumzeit

Seit 10 Jahren erforscht man am Albert-Einstein- Institut in Golm alle wichtigen Bereiche der Gravitationsphysik

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Seit 10 Jahren erforscht man am Albert-Einstein- Institut in Golm alle wichtigen Bereiche der Gravitationsphysik Von Jan Kixmüller Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nobelpreis in den nächsten Jahren nach Potsdam geht, ist gar nicht so gering. In einem Institut draußen in Golm sind Forscher weltweit an vorderster Front bei der Erforschung des Universums mit dabei. Nicht umsonst trägt das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik den Beinamen Albert-Einstein-Institut (AEI). Hier wird die Gravitationstheorie, also die Theorie der Schwerkraft erforscht, wie sie sich aus der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein ableitet. Sollte es den Wissenschaftlern gelingen, mit einem gigantischen, satellitengestützten Detektor im All die Gravitationswellen zu messen, die Einstein einst vorhergesagt hat, dann dürfte dafür ein Nobelpreis fällig sein. Just in dem gerade laufenden Einstein-Jahr hat auch das Einstein-Institut ein Jubiläum zu begehen: Anfang April feiert das Institut sein zehnjähriges Bestehen. Seit zehn Jahren werden hier alle wichtigen Forschungszweige der Gravitationsphysik unter einem Dach vereint: weltweit ein einzigartiger Zusammenschluss. Zudem hat sich das AEI seit seiner Gründung international als führendes Forschungszentrum der Gravitationsphysik etabliert. Etwa 73 Wissenschaftler des AEI und rund 150 Gastforscher beschäftigen sich in Golm mit der Theorie, die besagt, dass jeder Körper in seiner Umgebung den Raum krümmt und den Zeitablauf beeinflusst. Drei theoretisch ausgerichtete Abteilungen setzen sich am AEI mit verschiedenen Aspekten der Gravitationsphysik auseinander. Zum einen widmet man sich den physikalischen Grundlagen und mathematischen Methoden der Allgemeinen Relativitätstheorie. Eine zweite Abteilung beschäftigt sich mit Fragen, die sich aus dem Versuch der Vereinigung von Quantentheorie und Gravitation ergeben, was weitläufig als „Weltformel“ bezeichnet wird. Der dritte Schwerpunkt des Instituts sind die „Astrophysikalischen Anwendungen der Relativitätstheorie“. Dazu zählen die Suche nach Gravitationswellen und die Simulation von kollidierenden Schwarzen Löchern und Neutronensternen auf Supercomputern. Die Existenz von Gravitationswellen geht auf eine Vorhersage der Relativitätstheorie zurück. Einstein selbst war sich nie ganz sicher, ob diese von Bewegungen und Kollisionen großer Massen im All hervorgerufenen „Kräuselungen der Raumzeit“ überhaupt jemals nachgewiesen werden können. Die Wellen, die theoretisch permanent den Raum mit Lichtgeschwindigkeit durchdringen, transportieren zwar enorme Energiemengen, doch wahrnehmbar dürften sie nur mit extrem empfindlichen Instrumenten sein. Derzeit betreibt das AEI einen solchen Detektor bei Hannover, ein rechtwinkliges Röhrengebilde mit 600 Meter langen Schenkeln durch das Laserstrahlen zu zwei Spiegeln geschickt werden. Sollte eine sehr starke Gravitationswelle das Gebilde durchdringen, dürfte es eine minimale Abweichung des Lasers geben. Da die Störungen auf der Erde für solche Experimente sehr vielfältig sind – ein vorbeifahrender LKW kann eine Messung schon hinfällig machen – plant man nach den Sternen zu greifen. Mit drei Satelliten soll ab 2013 im Weltall ein Detektor errichtet werden, zwischen dessen Spiegeln der Laserstrahl jeweils fünf Millionen Kilometer (!) zurückzulegen hat. Das von NASA und ESA finanzierte Projekt wird mit einer Messfläche von rund 14 Millionen Quadratkilometern das größte je von Menschenhand geschaffene Gebilde sein. Und im All stören keine LKWs die Messungen. Sollten Gravitationswellen gemessen werden, wäre dies nicht nur ein weiterer Beleg für die Richtigkeit der Relativitätstheorie. Da die Wellen das gesamte Universum durchpflügen, also auch aus den frühen Ursprüngen von Raum und Zeit zu uns gelangen, würden sie ein Fenster in die Vergangenheit öffnen. Mit ihnen wäre es möglich, bis an die Ränder des Alls zu blicken und – je nach Empfindlichkeit der Instrumente – ein Echo des Urknalls einzufangen. Wie Prof. Bernard F. Schutz vom AEI es formuliert, liegt das Ziel der Forschung der Gravitationsphysik auch darin, die Schritte die zum Leben führten nachzuvollziehen. „Von den Gravitationswellen werden wir dafür Antworten bekommen“, so Schutz. Die Beschreibung von Phänomenen wie Neutronensternen, Schwarzen Löchern und Gravitationswellen mit Hilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie erfordert ein enges Zusammenwirken physikalischer Konzepte mit Modellen der Geometrie und Analysis. In der Abteilung von Prof. Gerhard Huisken entwickeln die Wissenschaftler neue mathematische Methoden für die theoretischen Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Zum Beispiel durch die Entwicklung einer geometrischen Sprache für die klassischen Konzepte der Physik innerhalb Einsteins gekrümmter Raum-Zeit. Eine andere zentrale Frage der man am AEI nachgeht ist die Suche nach der „Weltformel“. Zwischen den Gesetzmäßigkeiten der Welt der kleinsten Teilchen – den Quanten – und den Spielregeln der Gravitation bestehen mathematisch unüberwindbare Widersprüche. Hier wird eine Theorie gesucht, die alles unter einen Hut bringt. Zwischen den 50er und 70er Jahren ist es den Teilchenphysikern gelungen, drei der vier Grundkräfte der Natur im Rahmen von Quantentheorien zu beschreiben. Das Ergebnis ist das so genannte Standardmodell der Teilchenphysik. Eine Kraft entzieht sich allerdings bis heute einer vollständigen Quantenbeschreibung: Die Gravitation. Die Suche nach einer Theorie der Quantengravitation, die das Standardmodell der Quantenfeldtheorie und die Allgemeine Relativitätstheorie als Grenzfälle enthält, gehört seit Jahrzehnten zu den großen ungelösten Aufgaben der theoretischen Physik. Ein vielversprechender Ansatz ist die so genannte Stringtheorie, die die Punktteilchen der herkömmlichen Quantentheorien durch winzige schwingende Fäden ersetzt. Die Stringtheorie verspricht zudem eine einheitliche Beschreibung aller Naturkräfte. Sie wäre ein großer Schritt in Richtung einer einheitlichen Theorie des Kosmos, eine Art „Weltformel“ eben. Ein weiterer Ansatz ist die Schleifen-Quantengravitation, die sich um eine geometrische Quantentheorie der Gravitation bemüht. Beide Ansätze stellen die bewährten Grundprinzipien der Quantenfeldtheorie in Frage. So wie es aussieht erzwingen sie eine radikale Modifikation der herkömmlichen Raum-Zeit-Konzepte bei extrem kleinen Abständen. Ein revolutionärer Vorgang, denn vermutlich würde auf diesem Wege auch die vertraute Unterscheidung zwischen Raum-Zeit und Materie hinfällig.

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