Landeshauptstadt: Kriechtiere auf Panzerspuren
Eine Kurz-Exkursion in die Döberitzer Heide, die grüne Oase vor den Toren Potsdams und Berlins
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Eine Kurz-Exkursion in die Döberitzer Heide, die grüne Oase vor den Toren Potsdams und Berlins Von Guido Berg Das Naturschutz-Zentrum des Vereins „Döberitzer Heide“ diente einst als Fahrzeughalle der Roten Armee. An der Wand prangt noch schwach rotfarben die Losung „Nowoi Texnike – wijsokie oswoenia“ – was etwa bedeutet: „Neue Technik – gut beherrschen.“ Vor der Halle, in der Heinz Sielmann gestern seine Pläne für die von seiner Stiftung übernommene Heide vorstellte, stehen nagelneue Landrover-Geländewagen. Es soll ins wilde Grüne gehen. Der Vereinsvorsitzende Matthias Hörisch, der zwar schon Jeep, aber noch nie einen „Defender“ fuhr, würgt das Gerät kurz ab und fährt dann los. Die Wege sind von Blindgängern beräumt, das freie Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes aber nicht. In einer Kernzone sollen einmal Wisente und Przewalski-Pferde grasen. „Mir ist noch kein Fall bekannt, dass Tiere durch alte Munition schaden genommen hätten“, hatte Walter Stelte vom Vorstand der Heinz Sielmann Stiftung kurz vorher in der Halle gesagt. Hörisch, ein wie er findet „nicht mehr zu den Jüngsten gehörender“ Naturschützer-Typ, gewöhnt sich an das ungewöhnliche Vehikel und plaudert: „Hier wurden Insekten gefunden, die seit 100 Jahren nicht mehr nachgewiesen wurden.“ 300 Jahre habe es hier keine Land- und Forstwirtschaft gegeben und somit keine Dünge- und keine Schädlingsbekämpfungsmittel. „Wenn ein Panzer mal über eine seltene Pflanze fuhr, dann ist die halt im nächsten Jahr doch wieder gewachsen“, sagt Hörisch und gibt Gas. Der Weg führt über Sandhügel, Ausläufer der Nauener Platte. Offiziell ist der Übungsplatz am 1. April 1895 eröffnet worden, doch schon Preußens Könige hätten nördlich der Militärstadt Potsdam „schräge Schlachtordnung“ geübt. „Im siebenjährigen Krieg haben sie damit die Österreicher geschlagen“, weiß der Vereinsvorsitzende. Auch, dass hier in den Dreißigern die berüchtigte „Legion Condor“ zusammengestellt wurde, die im spanischen Bürgerkrieg wütete und die baskische Stadt Guernica zerstörte. Rechts zieht eine Senke an der Wagenscheibe vorbei, das Ferbitzer Bruch. Ferbitz war mal ein Dorf, genau wie Döberitz. Sie fielen dem Übungsplatz zum Opfer. 1945 haben die Leute die letzten Mauerreste für Baumaterial abgerissen. Die Gruppe steigt aus und klettert auf den 75Meter hohen Finkenberg: Der Berliner Fernsehturm ist zu sehen, der Sendemast in Wannsee deutet in etwa die Luftlinie nach Potsdam an. Das Potsdamer Stadtzentrum ist zehn, zwölf Kilometer entfernt. Hörisch sagt, es habe auch schon Gespräche mit der Potsdamer Stadtverwaltung gegeben, schließlich liegen Teile des Areals bei Kartzow und Fahrland auf Potsdamer Boden. Die Stadt könnte Ausgleichsmaßnahmen, zu der sie verpflichtet ist – Bäumepflanzen etwa – hier ableisten. Bei Krampnitz wird es mal einen Südzugang für das künftige Naturerlebnis-Areal geben. Die Wege fehlen aber noch. Auf jeden Fall wird Potsdam von der Naturerlebnisstätte „Döberitzer Heide“ profitieren, meint Hörisch. Heinz Sielmann steht neben ihm. „Absolut“, pflichtet er bei, „ohne Frage“.
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