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Für den Historiker Michael Salewski ist Potsdam auch heute noch eine Stadt des Militärs
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Vom Neuen Palais könne man über Sans Souci nach Plötzensee wandern. Sozusagen von der barocken Idylle zu einem entsetzlichen Schlachthof gelangen, dem NS-Gefängnis Plötzensee. Am besten noch vorbei an der Wannseevilla, in der sich die Nazis 1942 bei Kaffee und Cognac über die effektivste Organisation des Holocaustes abstimmten. Was diese grausige Wanderung erbringen soll? Für den Historiker Prof. Michael Salewski ist sie ein Sinnbild.
Während des derzeit in Potsdam stattfindenden 32. internationalen Militärhistoriker-Kongress sprach er davon. Es ging ihm um Potsdam, um die Stationen dieser Stadt in der preußischen Macht- und Militärgeschichte. Darum, dass es in Deutschland keine Stadt gebe, die „enger und schicksalhafter mit deutscher Macht, Ohnmacht und dem Militär“ verbunden sei. „Potsdam ist das Zentrum – auch heute noch“, so der Kieler Historiker Salewski. Inmitten von Symbolen und Ikonen preußisch-deutscher Macht- und Militärgeschichte frage sich der 1938 in Königsberg/Preußen geborenen Wissenschaftler, was den viel beschworenen „Geist von Potsdam“ eigentlich ausmache. Und ob es ihn noch gibt, oder wieder geben wird. Letztlich habe Hitler die ganze Reihe der preußischen Tugenden auf den militärischen Geist des Gehorsams, auf einen Kadavergehorsam verkürzt.
Die Siegermächte hätten dann aus dem militärischen Geist einen militaristischen gemacht. „Ohne zu begreifen, dass nicht die Wehrmacht, sondern der Zivilist Hitler mit seiner Verbrechergang den Krieg entfesselt hatte“, sagte Salewski. Was zu einigem Murren und Kopfschütteln gerade unter den ausländischen Historikern im Saal führte. Schließlich gibt es auch Historiker, die Hitlers Treiben nicht alleine, sondern im Einklang mit der Mehrheit der deutschen Bevölkerung sehen.
Und Preußen, die unschuldigen Schlösser voller Lustbarkeit und Sinnesfreuden, wie passen die nun in Salewskis Bild? Im Gegensatz zu dem was die Fremdenführer predigen, sieht der Historiker gerade hier den Hort des Militärs. Werde der Schriftzug Sans Souci am Südportal des Schlosses doch durch ein irritierendes Komma getrennt. Nicht ohne Sorge, sondern „Sorge ohne Ende“ liest Salewski daraus. „Sanssouci ist nicht der Ort des Friedens, der Sorglosigkeit , sondern umgekehrt der Ort des Krieges“, sagte er. Man müsse sich vor dem Trugschluss hüten, dass der Krieg für den König ein Unglück gewesen sei. Vielmehr sei er als Pflicht eines Herrschers und seines Volkes gesehen worden.
Zwar habe es in Preußen auch zahlreiche Kasernenhöfe gegeben. „Doch das, was Staat, Macht, und Militär eigentlich ausgemacht hat, fand in Schlössern und Schlossgärten statt“. Und so sei die Parklandschaft Potsdams zugleich eine Militärlandschaft. „Was man, nebenbei, hier gar nicht gerne hört“, ergänzte Salewski.
Die Pausen zwischen den Kriegen habe Kaiser Wilhelm II. zwar mit unschuldigem Flötenspiel gefüllt, doch dass sich rücksichtslose Machtausübung mittels der Armee lohne, davon sei man am Hofe ausgegangen. „Dass das weder damals noch je später der Fall sein sollte, erfuhren die Deutschen dann immer wieder“, so der Geschichtsprofessor.
Dann die Friedenskirche, die Friedrich Wilhelm IV. als bewusstes Gegenstück zum weltlichen Lustschloss Sanssouci erbauen ließ. Sie stehe für den „Geist des Militärischen als eines Geistes der Macht, der Gewalt, der List, aber zugleich auch der Klassik, der Schönheit, ja des Genialen und Tugendhaften“. Und sie stehe auch für die Idee, die dann später auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten zu lesen war: „Gott mit uns“.
So sieht Salewski Potsdam auch als die Wiege jener Spielart des Militärischen, die sich des Wohlwollens und der Hilfe Gottes sicher war. „Ein Verhängnis. Und wo es nicht christlich zuging, waltete die ,Vorsehung’“. Das Glockenspiel der Garnisonkirche verkündete „Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab, und weiche keinen Finger breit, von Gottes Wegen ab.“ War das der eigentliche Geist von Potsdam, und will man daher die Garnisonkirche wieder aufbauen, fragt sich der Professor für Neuere Geschichte.
Schließlich der Tag von Potsdam. Die deutsche Militärgeschichte sei an diesem Tag braun besudelt worden. „Und von dieser Scheiße – lassen sie es mich so drastisch sagen – haben sich die Deutschen in einem mühseligen, noch nicht abgeschlossenen Prozess befreien müssen“, so Salewski mit eindeutigen Worten. Größtes Ruhmesblatt Potsdams sei letztlich das Infanterieregiment 9 gewesen, das entscheidend zum Widerstand des 20. Juli 1944 beitrug. Doch Salewski verschweigt auch nicht, dass nicht alle Soldaten Hitler widerstanden, in der Wehrmachtsuniform zahlreiche willige Vollstrecker gesteckt hätten.
Dass die deutsche Militärgeschichtsschreibung diese Verstrickungen des Miltärs mit den NS-Verbrechen schonungslos beschrieben habe, sieht Salewski als Anhaltspunkt für einen Wandel. „Potsdam ist und bleibt eine Militärstadt“, so sein Fazit. Doch den Begriff wendet er ins Positive. Eine Militärstadt, die heute etwa Sitz des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr und des Militärhistorischen Forschungsamtes ist. Dass das Glockenspiel noch immer über der Stadt klingt, weiß der Kieler Historiker. Doch der Geist von Potsdam sei nicht nur der Geist des Krieges gewesen, sondern auch der des Rechts und des Friedens.
Die aus aller Welt angereisten Militärhistoriker quittierten Salewskis stellenweise doch gewagten Gedankenbögen mit anerkennendem Applaus und dankbarem Händeschütteln. Für eine Diskussion bleib leider keine Zeit.
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