Landeshauptstadt: Kriegstote in Sanssouci begraben
Tote an Sphinx, auf Floraberg und unter Plantanen beigesetzt / Frage nach Massengrab ungeklärt
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Nahe der Friedenskirche in Sanssouci soll wie berichtet im Mai 1945 ein Massengrab für Kriegstote angelegt worden sein. Sie mussten aus der überfüllten Leichenhalle des St. Josefs-Krankenhauses ausgelagert werden. Dies berichteten die damaligen Schwesternschülerinnen Ulla Grobe (90), Pia Sophie Köhnke (83) und Renate Becker (81) auf einer Veranstaltung zur Chronik des Krankenhauses, das 2012 150 Jahre alt wird. Bei Spaziergängen im Park Sanssouci habe sie sich gewundert, dass keine Tafel an diese Toten erinnert, sagte Renate Becker. Sie sei jedoch davon ausgegangen, dass die Kriegsopfer wie allgemein üblich später auf den Neuen Friedhof umgebettet worden sind.
Die Angaben der drei Zeitzeuginnen lösten selbst bei geschichtskundigen Teilnehmern der Veranstaltung wie Stadthistoriker Hartmut Knitter oder dem Chronisten der Katholischen Gemeinde Manfred Gläser Erstaunen aus. Ebenso ist Experten der Potsdamer Friedhofsgeschichte ein solches Grab unbekannt. Der später langjährige Direktor des VEB Grünanlagen und Bestattungswesen, Karl-Heinz Voß, bestätigt aber, dass in Sanssouci Kriegstote provisorisch begraben wurden. Da er mit seinen Eltern im Gartenhaus der Villa Illaire wohnte, erlebte er als Junge mit, wie ein von einer Handgranate zerrissener deutscher Soldat auf dem Rasenstreifen zwischen den Linden der Allee vom Grünen Gitter eingegraben wurde. Unter die Platanen in der Nordostecke des Marlygartens kam ein russischer Soldat, der erst in den 1970er Jahren auf den Sowjetischen Friedhof an der Michendorfer Chaussee umgebettet wurde. Am Weg zu den Weinbergterrassen wurde an der rechten Sphinx ein von den Russen erschossener Arbeitsdienstführer begraben, im Marlygarten auf dem Floraberg ein weiterer deutscher Soldat. Ein NS-Funktionär erschoss sich und seine Familie: Er soll auf der Grünanlage am St. Josefs-Krankenhaus eine vorläufige Ruhestätte gefunden haben. Auch am Neuen Palais gab es laut Voß mehrere Bestattungen.
Karl-Heinz Voß geht davon aus, dass in Potsdam noch etwa 200 provisorisch bestattete Kriegstote unentdeckt in der Erde liegen. Von einem Massengrab in Sanssouci sei ihm aber nichts bekannt. Davon hätte er als Zeitzeuge und später für das Bestattungswesen Verantwortlicher wissen müssen, erklärte er. Dem steht der übereinstimmende Bericht der drei Krankenschwestern gegenüber.
Auch der Bereichsleiter Friedhöfe in der Potsdamer Stadtverwaltung, Gunther Butzmann, hat bisher im Friedhofsregister noch keinen Hinweis auf ein solches Massengrab gefunden. Er schließt aber dessen Existenz nicht aus. Dazu will er Anrufe von Zeitzeugen auswerten, die ihn nach Veröffentlichung des PNN-Beitrags am Dienstag erreichten. Butzmann, der auch Kreisgeschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist, schloss eine Suchgrabung nicht aus. Es liege im gesellschaftlichen Interesse, allen Kriegstoten eine würdige Ruhestätte zu geben. Allerdings setze solch eine aufwändige Untersuchung eine genaue Lokalisierung des vermutlichen Massengrabes voraus. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten besitze darüber keine Unterlagen, teilte Pressesprecher Ulrich Henze auf Anfrage mit.
Zu einer genauen Lokalisierung könnte eine Befragung der ehemaligen Schwesternschülerinnen beitragen. Eine entsprechende Anregung wurde an die Zeitzeuginnen weitergegeben.
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