Landeshauptstadt: Kuckucksruf und Ehrenamt
Potsdam wird älter: Wie Stadt und Wohnungsunternehmen auf den demografischen Wandel reagieren
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Wenn in Potsdam künftig immer weniger junge Menschen, dafür immer mehr Senioren leben, muss auch die Stadt die Seniorenfreundlichkeit stärker in den Fokus rücken. „Wir müssen die Älteren im Auge behalten“, weiß die Sozialbeigeordnete Elona Müller. Eines der drängendsten Probleme, auch für Senioren: der Mangel an bezahlbarem, angemessen großem Wohnraum. Immerhin gibt es Planungen für größere Wohnprojekte, bei denen auch auf die Bedürfnisse von Senioren geachtet wird.
So plant Bauunternehmer Theodor Semmelhaack bei seinem Projekt nahe des Hauptbahnhofs, vor allem Zwei-Zimmer-Appartements errichten zu lassen. Pro Potsdam achtet bei Neubauprojekten zumindest auf Barrierearmut oder sogar Barrierefreiheit in den Wohnungen. Ferner präsentiert die städtische Wohnungsgesellschaft in ihrer Musterwohnung in der Waldstadt II Möglichkeiten des Einbaus von technischen Hilfsmitteln im Alltag – wie automatische Rollos, intelligente Lichtkonzepte für die ganze Wohnung und andere Alltagshelfer.
Mittlerweile gibt es in der Landeshauptstadt auch mehr Mehrgenerationen-Wohnprojekte. Auch die Potsdamer Wohnungsgenossenschaften orientieren sich stärker auf die zahlenmäßig immer größer werdende ältere Klientel. Seit 2008 ist das Quartier „Kuckucksruf“ fertiggestellt, ein Projekt der Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft „pbg“. Dort wurden in verschiedenen Häusern Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten für Senioren geschaffen, dazu gibt es familiengerechte Wohnungen und Single-Appartements. Ein ähnliches Projekt verfolgt die pbg nun an der Käthe-Kollwitz-Straße (PNN berichteten). Einen noch engeren Ansatz des gemeinsamen Lebens verfolgen private Projekte wie „WohnGut“. In der Uhlandstraße 22 leben 16 Erwachsene und 13 Kinder zwischen zwei und 60 Jahren seit Juni 2008 unter einem Dach.
Außerdem will die Stadt ambulante Pflegedienste stärker fördern, so dass Senioren so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden, ihrer gewohnten Umgebung, leben können. „Das bedingt aber auch eine auf sie zu geschnittene Versorgungsstruktur im Stadtteil“, weiß die Sozialbeigeordnete Elona Müller: fußläufig erreichbare Supermärkte, Arztpraxen um die Ecke und vernünftige Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr.
Unterstützt werden auch Bemühungen des ehrenamtlichen Engagements für Senioren. So wurden Anfang des Jahres erstmals „qualifizierte Betreuer“ für Senioren ausgebildet. Die Akademie 2. Lebenshälfte hatte gemeinsam mit Pflegeeinrichtungen, Betreuungsunternehmen und dem stadtweiten Netzwerk „Älter werden“ das Projekt ins Leben gerufen. Unter den insgesamt elf Absolventen war auch eine 81-Jährige „qualifizierte Betreuerin“, die derzeit im Kursana-Pflegeheim Menschen ihren Alters betreut und sich mit ihnen beschäftigt. Auch im Seniorenheim „Käthe Kollwitz“ der Arbeiterwohlfahrt unterstützen Senioren ehrenamtlich die Arbeit der Pflegekräfte und beschäftigen sich mit den Heimbewohnern.
Ein Ansatz, den Gisela Gehrmann von der Potsdamer Beratungsstelle „Schickes Altern“ begrüßt. Sie wirbt für eine Art „Mini-Selbstständigkeit“ von Senioren. Ihr Konzept stellte Gehrmann bereits mehrfach vor und warb um Unterstützer. „So könnten Nischen besetzt werden, die professionellen Anbietern zu klein oder zu unrentabel erscheinen.“ Als Beispiele führte sie Hol- und Bringedienste, Blumenpflege-Services oder Kultur-Begleitungen an. Schließlich, so Gehrmann, gehe es darum, „die Potenziale der Senioren besser zu nutzen“. So bekräftigt sie den Standpunkt des Seniorenbeiratsmitglieds Josef H. Mayer: „Der Jugend sagen wir oft, ihr habt noch das ganze Leben vor euch. Aber wir Älteren haben auch ein Leben vor uns.“ Kay Grimmer
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