Sport: Kugel und Gerechtigkeit
Martina Willing holte Paralympics-Bronze und kämpft für neue Wertungstabelle
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Martina Willing holte Paralympics-Bronze und kämpft für neue Wertungstabelle Nein, ganz gerecht geht es nicht zu, obwohl die Behindertensportler auch jetzt in Athen nach größtmöglicher Gerechtigkeit streben. Angesichts sehr vieler verschiedener Körperbehinderungen werden bei sportlichen Wettkämpfen der Behinderten mehrere Schadensklassen zusammengefasst und wird nach einem bestimmten Punktsystem gerechnet, um das Programm nicht ins Uferlose ausweiten zu müssen. So auch derzeit bei den Paralympics in der griechischen Metropole. Im Spiridon-Louis-Stadion musste die Leichtathletin Martina Willing von der SG Stahl Brandenburg jetzt in ihrem ersten Wettkampf, dem Kugelstoßen, mit Bronze vorlieb nehmen, obwohl sie mit 7,94 Metern – erzielt im ersten Versuch und mit 1113 Punkten bewertet – einen neuen Paralympischen Rekord der Schadensklasse F56 aufstellte. Die blinde und im Rollstuhl sitzende Willing, die bereits ihre fünften Paralympics bestreitet, trat gegen Aktive der Klassen F57 und F58 an, die nicht zwingend Rollstuhlfahrer sind. Vor ihr landeten die Algerierin Nadia Medjmedj (9,79 m/1184 Punkte) und die Chinesin Ling Li (9,64/1165) aus der Klasse F57. Gut möglich, dass Martina Willing noch mehr Punkte erobert hätte, wäre sie im Vollbesitz ihrer Kräfte angetreten; immerhin beträgt ihre persönliche Bestleistung mit dem Eisen 8,43 Meter. Doch ebenso wie einige weitere deutsche Rollstuhl-Leichtathleten plagt sich die 45-Jährige derzeit mit einem Virusinfekt herum. Es war schon überraschend, dass sie überhaupt mit der Kugel antrat; erst am Morgen des Wettkampftages gab der Mannschaftsarzt endgültig Grünes Licht dafür. „Wenn alles optimal läuft, sind im Kugelstoßen 8,50 Meter drin“, hatte Willing vor ihrem Abflug nach Athen gesagt. Und: „Egal, wie weit ich komme – ich will meine zehnte Paralympics-Medaille.“ Angesichts der Umstände hat die daheim als Compense-Bioenergetikerin tätige Leichtathletik-„Dauerbrennerin“ nun nicht das insgeheim erhoffte dritte Paralympics- Gold verpasst, sondern ihre fünfte Paralympics-Bronzemedaille gewonnen. Außerdem holte sie seit 1992 bisher dreimal Paralympics-Silber. Gestern war sie erneut in ärztlicher Behandlung, nun hofft sie, auch am Sonnabend im Diskuswerfen vorn ein Wörtchen mitreden zu können. Um die Chancengleichheit der Behindertensportler weiter zu vergrößern, hat die Brandenburgerin eine eigene Wertungstabelle ausgearbeitet; „für mehr Gerechtigkeit“, wie sie dazu anmerkt. Einige Verbündete dafür hat sie schon, ob ihr die Verbandsfunktionäre folgen, bleibt abzuwarten. Aber Martina Willig ist es gewohnt, für ihre Ziele zu kämpfen.
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