
© A. Klaer
Von Peer Straube: Kunstharz soll den Marmor retten
Restaurierung des einsturzgefährdeten Fußbodens im Neuen Palais beginnt / 4,4 Millionen Euro Kosten
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Sanssouci - Die Technik des 21. Jahrhunderts soll das fast 250 Jahre alte Meisterwerk retten: Mit Glasfiber und Kunstharz will die Schlösserstiftung die marode Holzbalkendecke im Marmorsaal des Neuen Palais’ stabilisieren, damit der darüber liegende, kostbare Marmorboden restauriert und der Saal von den Besuchern wieder betreten werden kann.
Für die Stiftung wird das teuer. 4,4 Millionen Euro soll die Rettungsmaßnahme kosten, sagte Generaldirektor Hartmut Dorgerloh gestern. Bekanntlich ist der Marmorsaal seit zwei Jahren gesperrt, weil der Boden einsturzgefährdet ist. Ursache ist die Feuchtigkeit, die das Holz stellenweise schon in Krümel verwandelt hat. Als Friedrich II. das Schloss nach dem Siebenjährigen Krieg in aller Eile hochziehen ließ, um Europa zu zeigen, wie mächtig Preußen noch immer war, mussten die Baumeister auf frisch geschlagene Stämme zurückgreifen, weil trockene Holzbalken in der benötigten Länge von je 18 Metern auf die Schnelle nicht verfügbar waren. Die 64 Eichenbalken ächzten so schnell unter der Last des 90 Tonnen schweren Fußbodens, dass bereits wenige Jahre später noch einmal 64 Balken zur Stabilisierung in die Decke eingezogen werden mussten. Doch vor allem dort, wo die Balken im Mauerwerk verankert sind, weichte die Nässe das Holz im Laufe der Jahrhunderte auf.
Zwei Jahre haben die Stiftungsexperten daran getüftelt, wie man die Decke statisch ertüchtigen kann, ohne dass man den Marmorboden aufnehmen muss und ohne dass auf der anderen Seite die Decke des Grottensaals Schaden nimmt. Die Lösung ist nun gefunden, doch laut Restaurator Stefan Klappenbach noch niemals ausprobiert worden. Zwei besonders bröselige Balkenköpfe werden abgesägt und in den intakten Teil des Balkens Löcher gebohrt. Dort hinein kommen Glasfiberstäbe in der Länge des fehlenden Kopfstücks. Die Unterseite wird verschalt und mit Kunstharz ausgegossen, an die Oberseite ein passendes Stück neuen Holzes angedübelt.
Glanzvolle Bälle wie zu DDR-Zeiten wird es im Marmorsaal damit künftig nicht mehr geben. Die Tragfähigkeit des Bodens reicht dann aber aus, um einen 2,5 Meter breiten Korridor aus Plexiglas entlang der westlichen Längswand des Saales zu legen – von Tür zu Tür. Über diesen wandelnd, sollen die Besuchergruppen ab 2012 die friderizianische Pracht wieder bestaunen können. Der Marmor selbst bleibt damit in Zukunft von Fußtritten verschont.
Das muss er auch, denn an manchen Stellen ist er nur so stark „wie dünnes Eis“, wie Klappenbach erklärte. Der statische Kunstgriff mit Kunstharz ermöglicht die Restaurierung des filigranen Bodens „in situ“, also an Ort und Stelle. Um die europaweit einzigartige Kostbarkeit im Originalzustand zu erhalten, sollen die vielen kleinen Bruchstücke fixiert und Fehlstellen mit neuem Marmor aus den originalen Steinbrüchen in Italien und Schlesien ergänzt werden. „Wir tasten das Vermächtnis Friedrichs des Großen nicht an“, sagte Dorgerloh. „Das ist einer der prächtigsten Barockfußböden, die wir überhaupt kennen.“
Für seine Restaurierung, die allein anderthalb Millionen Euro verschlingt, sammelt die Stiftung bereits seit fast einem Jahr Geld. Im Internet läuft die Spendenaktion „Ein Quart Geschichte“, bei der sich Mäzene per Mausklick ihr eigenes Quart sichern können – jenes Format, auf dem Friedrich II. gern königliche Erlasse niederschrieb. Ein Quart Fußboden kann für 40 Euro saniert werden, Spenden ab zehn Euro sind willkommen. 28 000 Euro sind bislang eingenommen worden. Gestern kamen noch einmal 300 Euro hinzu – gespendet vom Unternehmerverband Brandenburg, namentlich von Sabine Kleinow von der Porcelaingres GmbH in Vetschau. Das Unternehmen, spezialisiert auf deutsch-italienische Fliesenproduktion, will damit auch ein Stück ihrer eigenen Tradition bewahren helfen.
Parallel zur Restaurierung des Marmorfußbodens läuft auch die dringend erforderliche Generalsanierung des Neuen Palais’ an. 26 Millionen Euro nimmt die Stiftung dafür aus dem 155-Millionen-Euro- Topf, den der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg für den Masterplan zur Rettung der Schlösser zur Verfügung gestellt haben. Zunächst will man das Eindringen weiterer Feuchtigkeit ins größte Schloss der Stiftung verhindern und etwa das Dach abdichten. Dann soll der sich seit Jahren heimisch fühlende Schwamm aus dem Gebäude vertrieben werden. Doch auch nach dem Auslaufen des Masterplans 2017 gingen die Arbeiten weiter, versicherte Dorgerloh. Um wenigstens das „Gerippe“ des Neuen Palais’ instandzusetzen, sind noch einmal 20 Millionen Euro nötig, 80 weitere Millionen verschlänge die Komplettsanierung.
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