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Links und rechts der Langen Brücke: Künstliche Aufregung

Peter Tiede über die Aufregung um das von der Stadt wieder weiß getünchte Mauer-Denkmal am Griebnitzsee und einen anmaßenden Künstler

Stand:

Nun hat die Stadt Potsdam also in dieser Woche die letzten Reste der Berliner Mauer am Griebnitzsee weiß tünchen lassen. Die Herzköpfe des Malers Kiddy Citny sind damit nicht mehr zu sehen. Er hatte sie im September mal eben so da draufgemalt. Kritiker bemängeln, ein Kunstwerk sei vernichtet, ohne mit dem Künstler ernsthaft geredet, ohne nach einem Ausweg, einer Alternative gesucht, ohne überlegt zu haben, wie mit dem Kunstwerk an dem Denkmal Mauer umgegangen werden kann. Der Künstler selbst reagierte empört: „Ich bin schockiert über die kunstzerstörerische Handlungsweise der Stadt.“

Ach, nee!

Warum nur hätte sich die Stadt diese Fragen stellen sollen? Gut, dass sie erst mit dem Maler gesprochen hat und dann doch übermalt hat, war nicht fein. Aber die einzige Frage, die am Ende eigentlich offen bleibt, ist die, warum mit Kiddy Citny nicht verfahren worden ist, wie mit jedem Graffitikünstler, der fremdes Eigentum besprüht? Kiddy Citny ist sogar weiter gegangen, er hat sich ein Denkmal angeeignet, sich selbst als derart wichtig empfunden, dass er meinte, es stünde ihm zu, einen der letzten authentischen Mauerreste dieser Stadt nach seinem Geschmack umzugestalten. Wohlgemerkt: Wir reden hier von einem unter Denkmalschutz stehenden Zeugnis der deutschen Teilung. Was unterscheidet Kiddy Citny von Graffitikünstlern – außer der Tatsache, dass er alt genug ist, um schon zu Teilungszeiten die Möglichkeit gehabt zu haben, auf Westberliner Seite die Mauer bemalen zu können? Wer gibt ihm ein Recht an der Mauer? Niemand. Warum also sollte sich die Stadt ernsthaft mit der Sachbeschädigung (Kunst hin, Kunst her – darum handelt es sich zunächst einmal) auseinandersetzen? Da gilt der doofe Spruch: Da könnt’ ja jeder kommen. Warten wir auf den Metallkünstler mit Ideen für die Glienicker Brücke? Hat jemand eine Eingebung für die Farbgestaltung des Einsteinturms? Noch ein Bildhauer mit Zeit fürs Kriegerdenkmal vorm Neuen Friedhof?

Ja, die Kunst ist frei. Aber der freie Künstler muss auch damit leben, dass jemand, der seine Kunst bekommt, ohne sie bestellt oder gewollt zu haben, damit auch frei umgeht. Nichts anderes hat die Stadt getan.

Warum? Darum: Ein Kollege von Potsdam TV war mit einer jungen Praktikantin in Griebnitzsee, um die getünchte Mauer zu filmen. Die junge Frau war fast ehrfürchtig, als sie erfuhr, dass die Mauer dort echt ist. Sie hat das Recht, einen so weitgehend wie möglich authentischen Ort erleben zu können.

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