
© Andreas Klaer
Von Guido Berg: Kupfer aufs Dach
Die Architek-Tour führt durch „Klein-Europa“: Vom holländischen Jagdschloss ins italienische Bornstedt
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Start am Jagdstern. Doch die ArchitekTour hat ein Vorspiel. Vor einer illustren Truppe von PNN-Lesern steht Bernd Küster vom Förderverein des Jagdschlosses. Und es macht auch Sinn, sich nicht sofort auf die Sattel zu begeben, denn das Jagdschloss ist immerhin das älteste noch existierende Schloss in Potsdam, der Stadt der Schlösser. Baumeister war vermutlich Cornelius van den Bosch, erklärt Küster – doch sicher ist nur eines: Es waren Holländer, die das Kleinod im Walde errichteten. Das versichert auch Architekt Christian Wendland, der die Tour fachmännisch begleitet. Das Mauerwerk an den Dachschrägen, gut zu sehen an der Rückwand des Hauses, ist derart filigran – so etwas hatten die Preußen gar nicht drauf. Dafür konnten sie und ihre Könige sich der besten Architekten, Handwerker und Baustile Europas zu versichern.
So führt die Architekt-Tour vom ersten Holländerhaus in Potsdam, dem Jagdschloss, über die Schweizer Häuser von Klein Glienicke, dem von der englischen Rhein-Romantik geprägten Maschinenhaus im Babelsberger Park und dem Holländischen Viertel zum italienischen Dorf Bornstedt. Die Französische Kirche, die russische Kolonie Alexandrowka und die norwegische Matrosenstation Kongsnaes könnten eine Tour de Europe in Potsdam vervollständigen. Wendland: „Sie fahren heute durch Klein-Europa.“
Nun aber auf die Reifen! Erste Station ist das ehemalige DRK-Präsidialgebäude, gebaut 1938, in dem Christian Wendland – „obwohl handwerklich solide gebaut“ – schon Anzeichen einer „Schutz- und Trutz-Architektur“ ausmachen kann. Das Treppenhaus sei derart typisch für die Zeit, das finde sich in jedem Nazi-Film, der heute gedreht wird.
Überhaupt, Architektur, Politik, Geschichte, Schicksal, Leidenschaft, das alles ist in Potsdam fest miteinander verwoben. Wendland, zu DDR-Zeit im „VEB Gebäude-kaputt“ tätig, ist wie kaum ein Zweiter dafür geeignet, davon zu erzählen. Wir stehen vor der Churchill-Villa, gebaut vom vielleicht bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, Ludwig Mies van der Rohe. Wendland schwärmt: Auf „beste Qualität und beste Materialien“ habe der spätere Bauhaus-Direktor größten Wert gelegt. Bei Mies van der Rohe gibt es „keine Zufälle“, alles ist durchdacht und auf höchstem Niveau ausgeführt. „Einmal richtig gebaut und Sie haben Ruhe im Leben.“ Wendland nutzt den Gedanken für einen Seitenhieb ins Aktuelle: „Das Alte Rathaus hat ein Kupferdach, aber für den Landtag wollen sie Zink nehmen.“ Dabei halte Kupfer 100 Jahre. Eine PNN-Leserin weiß, dass der Kupfer-Preis gerade im Keller ist und so ist sich die Radler-Truppe einig, dass aufs Landtagsdach Kupfer gehört.
Noch zwei Mies van der Rohes stehen auf dem Programm: an der Karl- Marx-Straße 27 die Villa Mosler und gegenüber das Haus Riehl. Die Villa Mosler ist für Wendland aufgrund der Bauqualität schlicht „das Sanssouci des 20. Jahrhunderts“ oder einfach gesagt, „ Sahne gemacht“. Das Haus Riehl ist Mies van der Rohes Erstlingswerk; bedenkt man, dass auch Schinkels Erstling, der Pomonatempel, in Potsdam steht, dann wird klar, dass diese Stadt nicht durch große Talente geprägt wurde, sondern durch junge, die hier groß wurden.
An den Schweizer Häusern in Klein Glienicke: Eines der von Ferdinand von Arnim gebauten Romantiker-Häuser, beeinflusst durch das rousseausche „Zurück zur Natur“, ist dem DDR-Grenzregime zum Opfer gefallen – nachdem ein Flüchtling vom Balkon über die darunter vorbeigehende Grenze direkt in den Westen gesprungen war.
Auf dem Weg nach Bornstedt, Ausdruck königlicher Italien-Sehnsucht, räsoniert Wendland über die Architektur-Frage unserer Zeit – jedenfalls in Potsdam: Rekonstruktion oder Moderne? „Wer keine Vergangenheit hat, hat keine Zukunft“, sagt er. Einige architektonische Formen, die verloren scheinen, müssten durch Rekonstruktion mitgenommen werden in die Zukunft.
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