zum Hauptinhalt
Unterricht zum Anfassen. Koko N’Diabi Affo-Tenin an der Goethe-Schule.

© Klaer

Landeshauptstadt: Kurztrip nach Togo

Interkulturelle Woche: Babelsberger Schüler erfuhren, wie Kinder in Westafrika leben

Stand:

Die über 25 Drittklässler reißen sich regelrecht um die Blecheimer, die Frau Koko N’Diabi Affo-Tenin für sie austeilt. Jeder will die Eimer genauso auf dem Kopf balancieren, wie es die gebürtige Togolesin gerade gezeigt hat. „Smilla kann es!“, ruft ein Mädchen. Die Schülerin schafft es fast ohne Hände den Topf ein paar Schritte zu tragen, aber so manchem fällt er auch schnell wieder herunter. „Das ist mir auch schon passiert!“, sagt Affo-Tenin, die als Kind oft jeden Morgen literweise Wasser über mehrere Kilometer tragen musste. Dabei sind das nur die Grundlagen: Affo- Tenin zeigt ein Foto aus Togo, auf dem eine Frau 13 Gefäße übereinander gestapelt auf dem Kopf trägt.

Solche und viele andere Gewohnheiten und Gegenstände aus ihrer Heimat brachte die aus Togo stammende Potsdamerin gestern den staunenden Schülern der Babelsberger Goethe-Schule näher. Die Veranstaltung, die im Rahmen der Interkulturellen Woche und des Schulprogramms „Bildung trifft Entwicklung“ stattfand, führt eine Tradition der Schule fort. Denn schon seit vielen Jahren kommen Menschen aus fernen Ländern wie Nepal, Laos oder Kambodscha in die Schule, um von ihrer Heimat zu erzählen. Affo-Tenin, die seit 1984 in Deutschland lebt und für den Deutschen Entwicklungsdienst tätig ist, besucht regelmäßig Schulen, um von ihrem Land zu erzählen. Bis Ende des Monats wird sie sich noch mit fünf weiteren Schulklassen in Potsdam treffen.

„Mein erster Vorname ‚Koko’ bedeutet: ‚Die zweite Tochter der Familie’“, erklärt Affo-Tenin, „denn die Kinder bekommen ihre Namen manchmal nach der Reihenfolge, manchmal auch nach dem Wochentag, an dem sie geboren wurden. Ein Mädchen, dass an einem Montag geboren wurde könnte zum Beispiel ‚Adjo’ heißen.“ Dass so viel Persönliches im eigenen Namen stecken kann, überrascht die Schüler, aber es geht noch weiter: „N’Diabi heißt ‚die Größte’, weil ich an meinem Geburtstag das größte und schwerste Baby im Krankenhaus gewesen bin“, verrät Affo-Tenin. Und das ist nur die Namensgebung für eine der etwa 43 Sprachen, die in Togo existieren, das gerade Mal so groß wie die Schweiz ist und etwa 4,2 Millionen Einwohner hat!

Affo-Tenin hat auch viele Alltagsgegenstände mitgebracht: Sie zeigt eine kleine Schiefertafel: „Damit habe ich in der Schule schreiben gelernt, Hefte hatten wir nicht.“ Als sie ein Bild des Schulhofs in ihrem Heimat-Dorf zeigt, sagt ein Schüler: „Da gibt’s ja gar nichts zum spielen!“ „Das ist ja auch in Afrika und nicht in Deutschland“, meint ein anderer. Dass man dafür in Togo für einen Euro zehn Ananas bekommt, gefällt vielen schon mehr.

Spielzeug gibt es in Togo natürlich auch, nur mit dem Unterschied, dass man es sich meist nicht im Laden kauft: „Das ist ein Fußball“, sagt Affo-Tenin und wirft ein graues Lumpenbündel, das mit Schnüren umwickelt ist, in die Runde. „Der ist aus Lappen gemacht. Bei uns basteln sich die Kinder ihre Spielzeuge selbst.“ Jeder bekommt einen Alltagsgegenstand aus Togo in die Hand, zum Beispiel einen kleinen Topf. „Woraus ist der gemacht?“, fragt Affo-Tenin. „Aus Metall!“, kommt es sofort von mehreren Seiten. Aber nicht irgendein Metall: „Alte Cola- oder Bierdosen werden bei uns gesammelt, geschmolzen und dann zu solchen Töpfen gemacht“, verrät Affo-Tenin. Ähnliches gilt für eine auf dem Kopf stehende Glühbirne auf einem Sockel – eine Petroleumlampe. Damit man so richtiges Togo-Feeling bekommt, dürfen sich die Kinder sogar wie eine afrikanische Familie mit den entsprechenden Kleidungsstücken anziehen: Ein Mädchen wird zur „Oma“, ein Junge zum „Vater“, und da afrikanische Familien meist groß sind, sieht am Ende fast die Hälfte der Klasse sehr bunt aus.

Die Schüler kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, sie merken: In Westafrika ist einiges anders. Affo-Tenin zeigt ein Foto von ihrer Familie: „Das hier ist mein Bruder, das ist seine Frau und das ist seine zweite Frau. In Togo kann man bis zu sechs Frauen heiraten.“ Das ruft bei den Drittklässlern eher Unverständnis hervor: „Und die Frauen beschweren sich gar nicht?“ „Nein.“ „Echt nicht?“, fragt eine andere Schülerin. Affo-Tenin sieht das gelassen: „So braucht nicht nur eine Frau alleine alles im Haushalt zu machen, zum Beispiel das Kochen.“ Erik Wenk

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })