
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Küsschen für Lucia
Die Oberlinklinik behandelte die sechsjährige Clara aus Angola unentgeltlich. Nun kann das Kind laufen
Stand:
Sie spricht ein angolanisches Portugiesisch, aber sie redet nicht. „Sie weigert sich zu sprechen“, erklärt Doktorin Katharina Hörster, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie im Oberlin-Krankenhaus Babelsberg. Die sechsjährige Clara – ihr richtiger Name wird aus Schutzgründen nicht genannt – sei aber „ziemlich helle“, eine Kommunikation sei dennoch möglich. In der Tat leuchten Claras Augen freundlich, sie schäkert mit ihrer Physiotherapeutin Kerstin Rohrbeck und verteilt Küsschen an Oberlin-Pressesprecherin Lucia Marrocco. Freudig tritt sie mit ihrem Fuß gegen einen roten Ball – was keine Selbstverständlichkeit ist: Als die kleine Angolanerin aus der Landeshauptstadt Luanda Ende November 2012 ins Oberlin-Krankenhaus kam, konnte sie nicht laufen. Sie litt, wie Ärztin Hörster am Donnerstag vor Journalisten erläuterte, an schweren Deformationen beider Beine, möglicherweise aufgrund eines angeborenen Gendefekts. Nach mehreren Operationen und umfangreicher physiotherapeutischer Behandlung wird Clara am kommenden Samstag aus der Oberlinklinik entlassen. „Sie wird keinen Rollstuhl brauchen“, sagt Oberlinsprecherin Marrocco. Die Behandlungskosten in Höhe von genau 11 647 Euro übernimmt die Oberlinklinik selbst. Jährlich behandelt die orthopädische Fachklinik einen Patienten unentgeltlich, im vergangenen Jahr war es ein Junge mit schweren Fußverletzungen aus Afghanistan.
Organisiert wurde die Behandlung Claras in Babelsberg durch die Aktion Friedensdorf e.V. aus Oberhausen, die laut ihrer Mitarbeiterin Franziska Notthoff jährlich vier Hilfseinsätze in Ländern der Dritten Welt unternimmt. Ein Arzt des Friedensdorfes und Ärzte vor Ort sichten erkrankte Kinder und prüfen, ob für diese eine Behandlungsmöglichkeit in Deutschland besteht. „1000 Eltern stellen sich mit ihren kranken Kindern vor, 80 bis 100 Kinder pro Einsatz bringen wir nach Deutschland“, erklärt die Mitarbeiterin des Friedensdorfes. Die Hilfsorganisation arbeitet laut Franziska Notthoff mit dreihundert deutschen Krankenhäusern zusammen, die unentgeltlich die Behandlung der Kinder übernehmen, da für diese in ihren Heimatländern oft keine medizinische Hilfe möglich ist.
Die Ärzte der Oberlinklinik operierten Clara teils in ihrer Freizeit, erklärte Chirurgin Hörster. Sie findet das keinesfalls heroisch und sagt auch, dass sie die entgeltfreie Hilfe „medizinisch interessant“ findet. Katharina Hörster: „So komplexe Fehlbildungen sieht man nicht oft.“ Bei Clara musste das linke Bein gerade gemacht und das rechte Bein gedreht werden. „Sie läuft jetzt frei“, sagt die Operateurin und freut sich über das „achsgerechte Gangbild“, zu dem Clara jetzt fähig ist. Mehrere kleinere Operationen zur Heilung der Weichteile sowie „viele Verbandswechsel“ seien nötig gewesen. „Wir wollen Anschlussbeschwerden vermeiden“, sagt die Oberlin-Ärztin. Nunmehr wird das Mädchen lediglich zwei Unterschenkel-Orthesen – „kleine Stiefeletten“ zur Stützung“ – benötigen, um selbst gehen zu können.
Wie Franziska Notthoff von der Hilfsorganisation Friedensdorf erläutert, sind die Eltern von Clara über den glücklichen Ausgang der Operationen bereits informiert worden – über den in Luanda tätigen italienischen Arzt Dr. Neto Rosalino. Über diesen Arzt hätten die Eltern des lebensfrohen Mädchens auch Bilder ihres Kindes wegen der langen Behandlungszeit erhalten. Bereits am Dienstag der kommenden Woche werde die kleine Clara mit einem vom Friedensdorf gecharterten Flugzeug die Heimreise nach Angola antreten und dort ihren Eltern übergeben. „Bereits am Freitag“, sagt Franziska Notthoff, „kehrt das Flugzeug mit anderen kranken Kindern nach Deutschland zurück“. Guido Berg
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: