Dietrich Brüggemanns Film "Heil!" im Thalia: Lachen über Nazis
Dietrich Brüggemann stellte seinen neuen Film „Heil!“ im Thalia-Kino vor. Darin geht es um Entsetzen, Banalität und auch um Panzer.
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Der Verfassungsschutz ist ohne Internet, die Antifa ist unentschlossen und die glatzköpfigen Nazis haben eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. In Dietrich Brüggemanns neuestem Film „Heil!“ ist alles ein bisschen überzogen, zu viel vom Klischee – und gerade deshalb ziemlich nah an der Wirklichkeit dran. Am Dienstagabend stellte der Absolvent der Babelsberger Filmuniversität den Film gemeinsam mit dem Kameramann Alexander Sass sowie den Darstellern Jerry Hoffmann und Oliver Bröcker im voll besetzten Thalia-Kino vor.
Dabei gab Brüggemann sich locker, witzelte mit den Kollegen und nahm sich auch selbst nicht so wirklich ernst. „Als ich die Story zu ,Heil!’ im Jahr 2012 geschrieben habe, hätte ich nie gedacht, dass das irgendwer mal finanzieren wird“, erzählte er. Deswegen habe er sich bei der Geschichte, deren Auslöser der NSU-Komplex war, inhaltlich auch ziemlich ausgetobt. „Das war mir dann auch egal, dann schreibe ich halt mal noch ’nen Panzer rein, der irgendwo stecken bleibt“, sagte Brüggemann lachend. „Ich wusste nicht mal ob das geht – überhaupt habe ich sehr viel über Panzer gelernt.“
Denn Panzer spielen eine erhebliche Rolle in der Geschichte rund um Sebastian Klein (Jerry Hoffmann), einen gefeierten afrodeutschen Autor, der bei seiner Reise in das brandenburgische Prittwitz von Nazis gekidnappt wird. Nach einem Schlag auf den Kopf verliert er sein Gedächtnis. Das nutzt Nazi-Anführer Sven (Benno Fürmann) der vor allem Nazibraut Doreen (herrlich: Anna Brüggemann, die Schwester des Regisseurs) beeindrucken möchte aus und schickt den umgepolten Sebastian in Talkshows, in denen er gegen Ausländer wettert. Währenddessen macht sich seine Freundin mit einem Dorfpolizisten auf die Suche.
Brüggemann, der für seinen Film „Kreuzweg“ bei der Berlinale 2014 den Silbernen Bären erhielt, nimmt in seinem neuen Film so ziemlich die ganze Gesellschaft aufs Korn: unfähige Politiker, storygeile Redakteure, penetrante Gutmenschen und die Idiotie des Mitläufertums. Dabei ging es ihm auch darum, die eigene Authentizität infrage zu stellen. „Es reichen eben schon kleine Dinge aus, um sich in jemand ganz anderen zu verwandeln“, sagte er am Dienstag. „Man sieht es im Film ja schön: Da sagt ein Schwarzer etwas gegen Ausländer und alle jubeln ihm zu. Wir sind eben nicht so authentisch, wie wir gerne wären.“ Mit seinen manchmal sehr extremen Bildern – etwa wenn ziellos Menschen erschossen werden – möchte er verdeutlichen, wie nahe Entsetzen und Banalität beieinanderstehen. „Es ist einfach Zeit, dass man auch mal über Nazis lacht – auch wenn das Lachen dabei vielleicht oft im Halse stecken bleibt“, sagte Brüggemann. Sarah Kugler
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