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Von Jana Haase: Land ist „irritiert“, Stadt „erstaunt“

Der Neubau eines Zentrums für die Russisch-Orthodoxe Gemeinde verzögert sich – offenbar wegen Kommunikationsproblemen

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Nauener Vorstadt - Die Kindertaufschale klemmt zwischen Sofa und Bücherstapeln, auf dem Tisch daneben liegt der Koffer mit den Kirchengewändern, im Bücherregal lagern Weihrauchgefäße – und wenn Gottesdienst ist, müssen die Gemeindemitglieder bei Bedarf die Privattoilette von Erzpriester Anatolij Koljada benutzen. „Ich kann als geistlicher Seelsorger nicht normal arbeiten“, konstatiert der Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche des heiligen Alexander Newskij auf dem Kapellenberg. Denn obwohl die Lösung des Raumproblems der gut 3000 Köpfe zählenden Gemeinde dringend ist, scheiterte sie bislang. Schuld sind offenbar Kommunikationsprobleme zwischen den Denkmalschutzbehörden von Stadt und Land.

Der Plan für ein Gemeindezentrum auf dem Kapellenberg ist nicht neu: Die Unterlagen darüber füllen zwei Aktenordner in Koljadas Regal. Bereits im Dezember 2007 hatten die Stadtverordneten beschlossen, die Gemeinde bei der Suche nach einem neuen Gemeindezentrum zu unterstützen. Die daraufhin von der Gemeinde begonnenen Planungen für einen Neubau auf dem kircheneigenen Friedhofsgelände an der Nedlitzer Straße ruhen allerdings seit Sommer 2008. Grund ist ein Brief der Stadtverwaltung, in dem auf Bedenken des Landesamtes für Denkmalpflege verwiesen wurde. Ein Neubau könnte das Weltkulturerbe-Ensemble stören, hieß es. Die in dem Schreiben vom 20. August 2008 angekündigte „offizielle Stellungnahme“ des Landesamtes steht jedoch bis heute aus. Im Januar wandte sich Koljada deshalb direkt an die Unesco-Welterbe-Organisation Icomos.

Landeskonservator Detlef Karg zeigte sich gestern „irritiert“ über die Diskussion. Zwar habe es Gespräche mit der Stadt über den Neubau gegeben, bestätigte er auf PNN-Anfrage: „Bisher liegt mir aber kein Bauantrag vor, zu dem ich Stellung nehmen kann.“ Er gehe von einem „Beratungsbedarf“ aus, weil der Neubau das Weltkulturerbe berühre: „Ich warte auf eine Reaktion des Oberbürgermeisters.“

Im Büro des Oberbürgermeisters war man über diese Aussage wiederum „erstaunt“: „Das sind neue Gesichtspunkte, die wir mit der Landesdenkmalbehörde erörtern müssen“, sagte Büroleiter Wolfgang Hadlich den PNN: „Wir müssen prüfen, welche Voraussetzungen nun für die Entscheidung aus denkmalrechtlicher Sicht erbracht werden müssen.“

Erzpriester Koljada ist angesichts der langen Wartezeit enttäuscht: „Wir haben viel Zeit und Geld verloren“, sagt er. Das Projekt, für das das Büro des Berliner Architekten Karsten Westphal beauftragt worden sei, wurde mehrfach mit Mitarbeitern der Baubehörde abgestimmt, betont der gebürtige Weißrusse, der 1986 nach Potsdam kam. Die Zeichnungen zeigen einen holzverkleideten Massivbau mit ausgebautem Keller und Dach.

Auf etwa 1000 Quadratmetern wäre darin Platz für einen Gemeinderaum für Feste und die Sonntagsschule, für Sanitäranlagen, eine Küche und ein Baptisterium zur Erwachsenentaufe, die Koljada bisher nicht anbieten kann. Die Gemeinde rechne mit Gesamtkosten von etwa drei Millionen Euro – Geld, das durch Spenden und Sponsoren finanziert werden soll, wie Koljada betont.

Die Welterbe-Bedenken kann er nicht nachvollziehen: „Unsere Gemeinde ist wirkliches Kulturerbe, das wir weiterentwickeln“, sagt der Erzpriester. Der Bau der ersten Russisch-Orthodoxen Kirche neben dem Brockschen Palais am Kanal jährt sich 2009 zum 275. Mal, gleichzeitig wird die Kirche auf dem Kapellenberg 180 Jahre alt. Der Neubau an der Nedlitzer Straße könne eine „Visitenkarte für Potsdam“ werden, sagt Koljada. Ob der Grundstein wie geplant zum Altarfest am 12. September 2009 gelegt werden, ist indes weiter unklar: „Ich befürchte, dass es stattdessen eine große Demonstration geben wird“, sagt der Erzpriester.

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