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Simulation des Innenhofs des Landtagsschlosses.

© Bernd Settnik/dpa

Von Alexander Fröhlich: Land mit Schloss überfordert

Stadt weist Vorwürfe des Finanzministeriums zum Neubau zurück

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Innenstadt - Im Streit um Mehrkosten und sechsmonatigen Zeitverzug beim 120 Millionen Euro teuren Landtagsneubau gibt sich die Potsdamer Rathausspitze gelassen – und erhebt selbst schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. „Wir sehen Forderungen des Finanzministeriums gelassen entgegen“, sagte Rathaussprecher Stefan Schulz, der sich nicht näher zur Kritik des Ministeriums äußern will. Aus Rathauskreisen dagegen wird drastische Kritik am Finanzministerium laut, nachdem in dieser Woche ein interner Ministeriumsbericht zum Landtagsneubau in den Fassaden des früheren Stadtschlosses publik wurde. Darin wird der Stadt wegen angeblich nachträglich verschärfter Denkmal-Vorgaben und nicht eingehaltener Zusagen die Schuld für die Mehrkosten von 15,4 Millionen Euro und den Zeitverzug zugeschoben, weshalb der Landtag statt Ende 2012 erst Mitte 2013 fertig wird. Das Ministerium prüft nun, wie die Kosten aufgeteilt werden und erwägt Schadensersatzforderungen gegen die Stadt.

Überrascht zeigt sich die Rathausspitze von den scharfen Worten in dem vertraulichen Bericht des Ministeriums. Das Dossier listet wegen „nicht vertragsgerechter Überlassung“ des Baufeldes und wegen der Bauzeitverlängerungen Mehrkosten von 2,4 Millionen Euro auf. Diese Vorwürfe seien völlig unbegründet, das Ministerium völlig überfordert mit dem Bau, der vom Baukonsortium BAM Deutschland AG errichtet wird. „Jeder Auftragnehmer hat ein Nachtragsmanagement, der Auftraggeber ein Nachtragsabwehrmanagement, nur das Finanzministerium nicht“, hieß es. Seit 2009 hätte die für das Projekt zuständigen Bearbeiter drei Mal gewechselt. Tatsächlich räumt das Ministerium ein, dass fast alle seit 2006 mit dem Projekt befassten Mitarbeiter im Ruhestand sind, was zu „Informationsdefiziten, Kommunikationsproblemen und zu Verzögerungen in den Bearbeitungsprozessen geführt“ habe.

Demnach beruhen die Vorwürfe des Landes auf einem Irrtum – als Folge des Personalwechsels. So warfen die neuen Mitarbeiter nach PNN-Informationen bei einem Krisengespräch Anfang November der Stadt vor, die im 2006 geschlossenen Kooperationsvertrag vereinbarten Zusagen bis heute nicht erfüllt zu haben. Demnach hätte die Stadt das Baufeld für den Landtag bereits im August 2008 baureif übergeben müssen. Allerdings beruht der Vertrag auf alten Plänen für einen funktionalen Neubau ohne Schlossfassade – und ohne Garagenrampe in der Humboldtstraße und Kutschauffahrt. Endgültig rechtsfest wurde die neue Variante erst im Sommer 2009. Normalerweise hätte das Land schon 2008 eine Mahnung an die Stadt schicken müssen, was das Ministerium nicht getan habe. Als die Stadt die Baufläche übergeben wollte, sei plötzlich die neue Fassade ins Spiel gekommen – und damit neue Vorgaben.

Auch die Humboldtstraße und die Fläche für die Kutschauffahrt musste von Archäologen begutachtet werden. „Das war vorher nicht bestellt und nicht Teil des Bauplans“, so ein betrauter Experte. Das Verfahren musste erneut angeschoben werden, was auch zum Streit um die Baugenehmigung der Stadt führte. Für diesen Zeitverzug war aus Sicht der Stadtspitze das Finanzministerium selbst verantwortlich – und damit auch für die dadurch entstandenen Mehrkosten. Gleiches gilt für Untersuchung der Felder für die Bohrpfähle, auf denen das Fundament errichtet wird. Abweichend von den ursprünglichen Plänen verlangte die BAM plötzlich mehr Platz, um die Bohrungen zu setzen.

Ins Zwielicht gerät damit auch die Öffentlich-Private Partnerschaft des Landes mit der BAM, zumal deren Angebot nur vier Millionen Euro günstiger war als ein üblicher Landesauftrag. Experten halten die Bausumme von 120 Millionen Euro für zu knapp bemessen, am Ende würden es wohl 150 Millionen Euro sein. Die BAM versuche wie in der Branche üblich, über Mehrkosten die eigenen Einnahmen zu verbessern, um überhaupt wirtschaftlich zu arbeiten. Selbst der Finanzexperte der Linke-Landtagsfraktion Christian Görke sagte, der Kostenanstieg von 13 Prozent sei bei solchen Projekten nicht ungewöhnlich. „Ich kenne Bauten von Kreisverwaltungen, die am Ende 20 Prozent teurer wurden.“ Einen Baustopp, wie es die CDU-Fraktion gefordert hatte wird es wohl nicht geben. Fachleute der Linksfraktion haben das juristisch geprüft. Eine vorzeitige Kündigung ist nur aus wichtigem Grund und bei grober Pflichtverletzung des Auftragnehmers möglich.

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