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Von Günter Schenke: Landtagspalast am Alten Markt

Der Berliner Schloss-Architekt Franco Stella plante auch für Potsdam

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Nachdem Franco Stella Ende November den Siegerpreis für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses erhalten hatte, fragten alle: „Wer ist dieser Architekt?“ Vom „umrätselten Architekten aus Italien“ ist in einem Beitrag vom vergangenen Freitag in dieser Zeitung die Rede. „Überraschend hat er, dessen Name bis vor zwei Wochen in Berlin nur Kennern etwas sagte, den Wettbewerb um den Neubau des Stadtschlosses mit den barocken Fassaden gewonnen“, heißt es.

Zu diesen „Kennern“ gehört der Berlin-Zehlendorfer Stadtplaner Richard Röhrbein, der nach der Wende bis zum Jahre 2000 in Potsdam als Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und als Stadtbaudirektor fungierte. „Stella plante am Alten Markt einen neuen öffentlichen Bau“, erinnert sich Röhrbein. Wie fast alle italienischen Architekten könne Stella, der bisher nur wenige Bauten realisiert habe, hervorragend zeichnen. Auf einem Internationalen Architektenseminar 1991 in Potsdam habe sein vierköpfiges Team die heute teilweise überzogen und fremdartig anmutenden Entwürfe präsentiert. Darunter war das Bild eines riesiges Gebäudes, das Stella als „Landtagspalast“ bezeichnete. In der aus diesem Anlass gedruckten Broschüre „Auf der Suche nach dem verlorenen Bild“ sind die Zeichnungen, die gleichzeitig den Abriss von Potsdam-Süd und ihren Wiederaufbau auf historischen Baulinien vorsahen, enthalten.

Für den Bereich des Alten Marktes entwarf der Italiener aus Vicenza eine 200 Meter lange und 150 Meter breite gepflasterte Fläche, mit der er an die „offene Piazza“ einer antiken Stadt erinnern wollte. Der große Platz hatte die Funktion, die „politischen und religiösen Bauten“, Parlament und evangelische Kirche, an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Den „Landtagspalast“ konzipierte Stella als monumentalen Bau westlich der Nikolaikirche. Mit einer Länge von 120 Metern hatte das 27 Meter breite und am First 33 Meter hohe Gebäude mit seinen gerundeten Kopfseiten sogar im Vergleich zur Nikolaikirche gigantische Ausmaße. Die historischen Grundrisse negierend, begründete der Architekt seinen Entwurf: „Der Palast stellt sich in die Achse des verlorenen Stadtschlosses, orthogonal zur Breiten Straße, und bildet einen schrägen perspektivischen Hintergrund für die Nikolaikirche.“ Das Erscheinungsbild mit der „kompakten und einheitlichen Beschaffenheit“, die gigantischen Ordnungen über drei überhöhte Geschosse, das „Dach als hervorragende Gesamtkrönung“, die Durchgänge und steinernen Säulen sowie weite Fensteröffnungen sollten den Charakter des Landtagspalastes als öffentliches Gebäude betonen.

Dass Stellas Entwürfe und die der anderen zehn Architekturbüros des Seminars in den Schubladen blieben, darf als glücklicher Umstand gelten. Stellas Team lieferte weitere Ideen zum Neuen Markt und der Plantage sowie zum Viertel zwischen Straße Am Kanal und Alter Fahrt. „All dies spielte später keine Rolle mehr“, sagt Röhrbein. Die Realität holte die Euphorie der Nachwende-Zeit ein. Der damalige Amtsleiter hatte bereits 1991 auf die Gefahr eines „dritten Schlages auf Potsdam“ verwiesen. Nach dem Bombardement von 1945 und den Abrissen in der DDR-Ära hätte das Bestreben, die aufgestauten Bedürfnisse zur Gestaltung der Mitte schnellstens zu befriedigen, zu neuen Zerstörung geführt.

Franco Stellas Affinität zu Potsdam hat kaum Spuren hinterlassen. Sein Wettbewerbsbeitrag als Palladio-Kenner zum Neuen Markt 5 überzeugte laut Röhrbein nicht. Lediglich das „Haus mit den vier Türmen“ im Kirchsteigfeld erinnert an das Wirken des Italieners in der Landeshauptstadt.

Günter Schenke

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