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Homepage: Lärm, kulturell gesehen

Der Sound von Hongkong in einem Forschungsprojekt der Fachhochschule

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Zwei Männer stehen mitten in Hongkong, der Sieben-Millionen-Einwohner- Stadt, Brennpunkt zwischen China und der westlichen Welt. Beide tragen Aufnahmegeräte bei sich und halten die Mikrophone in die Höhe. Der eine ist kleiner, seine fast schulterlangen Haare erinnern an den Stil französischer Existentialisten. Der andere ist dagegen ein Hüne. Doch das Paar, Arthur Engelbrecht und Andreas Klisch von der Fachhochschule Potsdam, fällt zwischen den pulsierenden Menschenmassen nicht auf. Sie sind hierher gekommen, um den „Sound Of The City“ einzufangen. So heißt ihr neues Forschungsvorhaben über den Klang von Großstädten. Was brachte die Beiden vom Fachbereich Kulturarbeit in die quirlige Finanzmetropole?

Angefangen hatte das Interesse von Engelbrecht und Klisch an Tönen, Geräuschen und Straßenlärm in Seminaren, in denen sie mit ihren Studenten aktuelle amerikanischen Fernsehserien und Videospiele untersuchten. Bei der Betrachtung von TV-Produktionen wie „Lost“, „24 Stunden“ und „Invasion“, die thematisch um Angst, Folter und Terror kreisen, fiel auf, dass die Tonspur Neuerungen aufwies. „Diese Serien muten dem Zuschauer durch den Sound wesentlich mehr zu“, so Engelbrecht. Auch in den angesagten Videospielen wie „World of Warcraft“ oder „Second Life“ spiele der Sound eine wichtige Rolle.

Der Vergleich der artifiziellen mit der wirklichen Tonwelt wurde zum ersten Mal in Südafrika vollzogen. In Johannesburg sammelten die zwei Kulturarbeiter mit Studenten in einem Workshop Klänge von Sicherheitssystemen, also jede Art von Sirenen, Martinshörnern und Alarmanlagen. Dem lag die Annahme zugrunde, dass sich die gesellschaftlichen Umbrüche am Kap, wie der Rückzug des staatlichen Gewaltmonopols nach dem Ende der Apartheid, in gewisser Weise in den Aufnahmen widerspiegeln würden.

Die Exkursion nach Hongkong, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert wurde, wird von den Soundforschern als logische Weiterentwicklung gesehen, ihre Ideen in Richtung „Urbanität“ auszubauen, wie Klisch sagt. Mit der City University of Hongkong und den Kollegen in Südafrika ist man überdies im Gespräch, ein interkulturelles Soundprojekt zu verwirklichen. Die Spezialität der Potsdamer Kulturarbeit, die dazu mit eingebracht werde, seien interkulturelle Transfers, so Klisch. Sie fühlten sich in ihrer Arbeit bestätigt: „Die Leute in Hongkong verstehen, was wir machen und was wir wollen, sie schauen über den Tellerrand und denken international“, heißt es anerkennend über die Kollegen.

50 bis 60 Soundstücke haben die beiden FH-Dozenten während ihres zehntägigen Aufenthalts gesammelt. Das kürzeste ist 12 Sekunden, das längste 35 Minuten lang. Im Vergleich zu Hongkong sei unsere deutsche Geräuschumwelt leer, erzählt Engelbrecht. Hier würde höchstens der Straßenlärm stören, in Hongkong habe man stattdessen ständig ein Geräusch wie von einer Million Fußballfans auf der Fanmeile am Brandenburger Tor um sich. Und nach jeder Kreuzung ändere sich die Soundlandschaft, ergänzt Klisch, der über seine Erlebnisse auch ein Internettagebuch geführt hat (http://klisch.net.dd16122.kasserver.com/?p=40). Die Fishstreet, wo es lebende Zierfische und Aquarienzubehör gäbe, klänge völlig anders als die Lady´s Street, wo es Damenbekleidung gäbe. Engelbrecht beeindruckt: „Hongkong ist eine akustische Dauerinstallation“.

Im nächsten Schritt nun wird das Rohmaterial bearbeitet und kategorisiert. „Nach der subjektiven Auswertung fangen wir an, die Sounds im Sinne einer kulturellen Charakterisierung durchzugehen“, beschreibt Engelbrecht das Vorgehen. Kernsequenzen werden extrahiert. Die theoretischen Grundlagen zu Soundlandschaften und Klangräumen stammen von Bernhard Leitner und Muray R. Schaffer. Verbindungen sieht Engelbrecht auch zum Vater der Medientheorie aus den 50-er Jahren, zu Marshall McLuhan.

Noch ist es zu früh im Projektverlauf, den Stoff mit Studenten in Seminaren durchzunehmen. Zunächst wird eine Soundausstellung geplant, daran schließen sich Publikationen und Workshops an. Im Juni kommen schon erste Studenten aus China zu Besuch, die Projektpartner aus Hongkong und Johannesburg treffen sich im September.

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