Landeshauptstadt: Laserstrahl über zwei Stockwerke in den Hörsaal
Vom Maser zum Laser: Dr. Reinhart Neubert aus Neu Fahrland brachte in der DDR das erste Lichtbündel zum Schwingen
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Vom Maser zum Laser: Dr. Reinhart Neubert aus Neu Fahrland brachte in der DDR das erste Lichtbündel zum Schwingen Von Winfried Gutzeit Leipziger Frühjahrsmesse 1964: Der VEB Carl Zeiss Jena präsentiert die ersten Lasergeräte der DDR. Das war zu dieser Zeit noch eine Sensation – gerade erst ein Jahr zuvor war dieses Vorhaben bei Zeiss beschlossen worden. Doch die Grundlagen hierfür legte ein Team aus dem Physikalischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU Jena). Ihm gehörte ein junger Physiker an, der damals einen Helium-Neon-Gaslaser gebaut hatte. Kaum zehn Jahre später sollte er das erste Satellitenbeobachtungsgerät des Potsdamer Geodätischen Instituts mit einem Rubin-Festkörper-Laser ausstatten und damit in der DDR das Zeitalter der modernen Satellitenbeobachtung einleiten. „Ich kam 1953 nach Jena um ein Physikstudium zu beginnen“, erzählt Dr. Reinhart Neubert. Er wohnt jetzt seit knapp zwei Jahren in Neu Fahrland, ist seit 2000 im Ruhestand und hat zuvor 30 Jahre lang auf dem Telegrafenberg zunächst bei der Akademie der Wissenschaften und die letzten Jahre dann im dortigen Geoforschungszentrum gearbeitet. 1953 war er zusammen mit seinen Eltern aus der Elbmetropole Dresden in die thüringische Universitätsstadt umgezogen. Der Vater war Arzt und folgte einem Ruf an die Universität Jena als Sozialhygieniker. Im Dresdner Vorort Hellerau aufgewachsen, hatte Reinhart Neubert als Zehnjähriger Dresden brennen sehen und noch kurz vor dem Umzug am 17. Juni den Arbeiteraufstand beobachtet. „Die Leute waren nicht nur in Berlin und Leipzig aufgebracht“, sagt er. Aber als Abiturient nahm er selbst nicht teil, freute sich auf das Studium. Damals einen Studienplatz zu erhalten war schwer. Die meisten Mitschüler erhielten Absagen. Glücklicherweise konnte ihm sein Vater über persönliche Beziehungen in Jena behilflich sein, und er schrieb sich am Physikalischen Institut der FSU Jena ein. Im gleichen Jahr wurde Professor Wilhelm Schütz Institutsdirektor, ein Mann mit vielen Erfahrungen auf dem Gebiet der Spektroskopie. Zugleich kam aus den USA die Nachricht über den Betrieb des ersten Ammoniak-Masers. „Der funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie später dann der Laser", erläutert Dr. Neubert: durch stimulierte Emission von elektromagnetischen Wellen im Mikrowellenbereich – daher das „M“. „Laser“ ist die Abkürzung für „Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation“, also Lichtverstärkung durch angeregte Strahlungsemission. Das Prinzip beruht darauf, dass mit Hilfe beispielsweise einer Blitzlampe oder einer Hochfrequenzquelle ein geeignetes Medium so angeregt wird, dass viele Atome auf einem höheren Energieniveau verharren. Ein solches Medium verstärkt dann eine hindurchlaufende Welle. Wird es zwischen zwei parallele (teildurchlässige) Spiegel gebracht, entsteht eine damals neuartige Lichtquelle, die ein gerichtetes Bündel einer einzigen Wellenlänge ausstrahlt. Ihre Eigenschaften sind ähnlich der eines Radiosenders. Die ersten Laser arbeiteten im Infraroten oder dunkelroten Bereich. Heute gibt es Laser für das ferne Infrarot bis ins extreme Ultraviolett. Doch soweit war man damals noch lange nicht. Reinhart Neubert brachte erst einmal das Grundstudium hinter sich, ehe er im Frühjahr 1957 zur Vorbereitung auf die Diplomzeit in die neue Arbeitsgruppe für Mikrowellenspektroskopie unter der Leitung von Professor Bruno Elschner kam. Er baute ein Elektronenresonanz-Spektrometer und versuchte sich danach an einem Modell-Maser. Immerhin hatte sich der wenig ältere Gerhard Wiederhold aus der Arbeitsgruppe bereits darum bemüht, einen Rubin-Maser (Mikrowellen-Bereich bei drei Zentimetern Wellenlänge) „zum Gehen“ zu bringen. Ein Jahr später kam die Nachricht, die bei der Fachwelt wie eine Bombe einschlug: 1960 beschrieb der amerikanische Physiker T. H. Maiman in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ den Aufbau seines ersten Rubin-Festkörper-Lasers. Wenig später wurde auch der Bau des ersten Helium-Neon-Laser (He-Ne-Laser) von Javan, Bennett und Herriott veröffentlicht. Daraufhin meinte Chef und Mentor Professor Elschner nur kurz: „Das müssen wir unbedingt auch machen.“ Aber wie? „Es war zwar alles beschrieben, was man dazu brauchte, aber wir mussten uns die Technik erst aneignen“, berichtet Neubert. Sie begannen zu dritt: Wiederhold hatte ja bereits Erfahrungen mit den Maser-Versuchen und Werner Meinel wurde von Zeiss in die Arbeitsgruppe delegiert, um einen Festkörperlaser zu entwickeln. Die Probleme wurden schrittweise gelöst, und im Herbst 1962 konnte Neubert den ersten Strahl seines He-Ne-Lasers nachweisen. Institutsdirektor Professor Schütz war begeistert. Er wollte darüber gleich ein Kolloquium veranstalten, erinnert sich Neubert. Am 3. Dezember 1962 war dann der große Tag: Im Physikalischen Kolloquium der Universität Jena wurden die ersten Laser vorgeführt. Nach einer theoretischen Einführung durch Dr. Wiederhold zeigte zunächst Werner Meinel seinen Neodym-Festkörper-Laser. Der Versuchsaufbau von Reinhart Neubert jedoch konnte nicht in den Hörsaal gebracht werden, zu groß und zu anfällig war die Apparatur. So wurde der Laserstrahl mit Spiegeln vom obersten Stockwerk über zwei Etagen geleitet und im Hörsaal für einen Demonstrationsversuch verwendet. Das hat die Gäste sehr beeindruckt, denn „ein Michelson-Interferrometer mit fünf Metern Gangunterschied, dafür gab es bis dahin keine geeignete Lichtquelle“. Darauf war Neubert stolz. Bereits im Frühjahr 1963 beschloss die Leitung des Jenaer Zeiss-Werkes, die Laser auf der Leipziger Messe zu präsentieren. Auf der Basis von Neuberts Laboraufbauten wurde der Prototyp eines Helium-Neon-Lasers entwickelt. Es gab jedoch Schwierigkeiten mit der sehr kurzen Lebenszeit der verwendeten Laserröhren. Somit verbrachte er so manche Nacht während der Messe damit, neue Laserröhren zu bauen. 1965 dann konnte er endlich die Ruhe für seine Doktorarbeit finden und promovierte über Anregungsmechanismen im Helium-Neon-Laser. Endlich begann für ihn die Zeit der kontinuierlichen Weiterentwicklung seiner Apparaturen. Doch zeichnete sich für Dr. Neubert bald ein Stillstand in der persönlichen Entwicklung ab. Im Rahmen der 3. Hochschulreform 1968 verschärfte sich politische Druck an den Universitäten. 1968 brachte mit dem Einmarsch auch von NVA-Truppen in die Tschechoslowakei zugleich auch das Ende der Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus, und es war das Jahr der gesprengten Kirchen im Land, wie etwa in Leipzig oder Potsdam. In Jena musste ein ganzer historischer Stadtteil um den Eichplatz herum den Plänen der „Sozialistischen Gestaltung der Innenstädte“ weichen. Viele seiner Universitäts-Kollegen traten in die SED ein, um überhaupt ihre wissenschaftliche Laufbahn fortsetzen zu können – für Neubert kam das nicht in Frage. Dabei war die Atmosphäre an der Universität Jena in den 50er Jahren im Vergleich zu den Oberschulen relativ offen. „Die Diskussion unter den Studenten war recht frei und ungezwungen, auch bei den Professoren herrschte noch eine freiere Atmosphäre, die aber nicht mehr lange anhielt", erinnert er sich. 1956 trugen die Studenten seines Semesters auf dem Physikerball ihre Kritik an den undemokratischen Verhältnissen in humorvoller, aber drastischer Form vor. Das sollte ein Nachspiel haben. Nur der Fürsprache des damaligen Rektors Prof. Hämel und des gerade aus der Sowjetunion zurückgekehrten berühmten Physikers Prof. Max Steenbeck war es zu verdanken, dass es damals zu keinen Exmatrikulationen kam. 1958 wurden jedoch viele Kommilitonen wegen ihrer kritischen Einstellung im Geraer Schauprozess gegen die „Eisenberger Gruppe"zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt, sofern sie nicht rechtzeitig fliehen konnten. Neuberts Chef und Mentor Professor Elschner erlebte den Erfolg von 1962 nicht mehr in Jena, noch kurz vor Schließung der Grenzen 1961 war er mit seiner Familie in die Schweiz geflüchtet. Zeitgleich mit der Erschwerung einer weiteren Karriere wurde Sohn Michael im ungesunden Klima des Jenaer Tal-Kessels immer wieder krank. Da kam der Ausweg: Das traditionsreiche Potsdamer Geodätische Institut auf dem Telegrafenberg, das inzwischen im Zentralinstitut für Physik der Erde aufgegangen war, suchte einen Laserexperten. Ende 1970 zog Neubert mit seiner Familie nach Potsdam und fand nahe am Wildpark eine Wohnung. Die Potsdamer Geodäten wollten mit ihrem neuen Satelliten-Beobachtungs-Gerät SBG die Bahn der Satelliten bestimmen. Dieses unter Leitung von Manfred Steinbach bei Zeiss Jena entwickelte Spezialteleskop sollte außer für photographische Richtungsbestimmung auch für Entfernungsmessungen zu geeigneten Satelliten verwendet werden. Hierzu war die Nachrüstung mit einem Impulslaser und einer Empfangseinrichtung für die vom Satelliten reflektierten Signale erforderlich. Dr. Neubert trug mit seiner Erfahrung dazu bei, dass bereits nach drei Jahren Satellitenentfernungen mit etwa einem Meter Genauigkeit in Potsdam gemessen werden konnten. Zu dieser Zeit war bereits ein weltweites Netz derartiger Stationen im Aufbau, dessen Messdaten in den folgenden zwei Jahrzehnten wesentlich zur Verfeinerung der Kenntnis der Gestalt der Erde und ihres Schwerefeldes beitrugen. Die Leistungsfähigkeit der Potsdamer Anlage wurde gemeinsam mit den Kollegen Dr. Harald Fischer und Dr. Ludwig Grunwaldt schrittweise weiter verbessert. Außerdem wurde 1985 eine Tochterstation in Santiago de Cuba aufgebaut. Größtes Hindernis war damals die Notwendigkeit, viele wesentliche Komponenten im Institut selbst bauen zu müssen. Im 1992 neu gegründeten Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ) konnte die Arbeit nahtlos fortgesetzt werden. Endlich diktierte nicht mehr der Mangel an Materialien und Gerätekomponenten den Alltag eines Experimentalphysikers, die Arbeit wurde von nun an nur noch durch die begrenzten finanziellen Mittel beschränkt. Eine neue Station am Neubau des GFZ entstand, wobei nach mehr als 20 Jahren wiederum Prof. Steinbach, inzwischen am Optikzentrum in Bochum tätig, das Teleskopsystem konzipierte. Diese Anlage ging dann mit Neuberts Ende der beruflichen Laufbahn in Betrieb. Sein Rat ist aber immer noch gefragt, einmal in der Woche kommt er noch an seinen alten Arbeitsplatz. Die Lasertechnik hat in den vier Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung genommen, sowohl als Hilfsmittel in der Forschung als auch durch ihren Einzug als Werkzeug in der Produktion und ihre Anwendung in der täglichen Praxis. Diese Entwicklung übertrifft bei weitem die Erwartungen der Pionierzeit vor 40 Jahren, an die Neubert gern zurück denkt.
Winfried Gutzeit
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