Landeshauptstadt: Laufende Untersuchung
Forscher vermessen Potsdamer Kinderfüße – damit Schuhhersteller passendere Schuhe nähen können
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Da hat es der Prinz im Märchen vergleichsweise einfach: Den richtigen Schuh hat Aschenputtel ihm schließlich überlassen. Nur den Fuß dazu muss er finden. Im Alltag eines Schuhgeschäfts läuft die Sache dagegen meistens anders herum: Der Fuß ist da und der passende Schuh muss her. Ob es den überhaupt gibt, ist allerdings nicht sicher.
Ein Problem, vor dem Schuhfachverkäuferin Christin Zygar jeden Tag steht: Besonders anspruchsvoll wird ihre Arbeit bei Kindern. Die Wahl der richtigen Schuhgröße sei bei ihnen schwieriger als bei Erwachsenen, erzählt die Potsdamerin: „Die Kinder merken nicht, ob der Schuh passt oder nicht“. Sie verlassen sich auf ihre Eltern, so Zygars Erfahrung. Deshalb sei es wichtig, die kleinen Füße im Geschäft genau zu messen – entsprechende Messgeräte benutzt Zygar täglich.
Jetzt wird sie dabei von 15 Wissenschaftlern der Universität Potsdam unterstützt: In einem Zelt in der Brandenburger Straße vermessen sie noch bis zum 1. September Potsdamer Kinderfüße. Es ist eine gemeinsame Aktion des sportmedizinischen Instituts und des Schuhfachgeschäftes „Schuh Baar“. Der Kinderschuhhersteller „Ricosta“ unterstützt das Projekt finanziell. Insgesamt 10 000 Kinder sollen bundesweit daran teilnehmen, sagt Sportwissenschaftler Steffen Müller den PNN. Ziel ist ein realistisches Bild des heutigen Kinderfußes.
Denn das System, nach dem Kinderschuhe produziert und Kinderfüße in Schuhgeschäften gemessen werden, beruhe auf Daten, die ein märchenhaftes halbes Jahrhundert alt sind, erklärt Schuhhersteller Ricosta, der bereits seit 2001 mit dem Sportmedizinischen Institut der Uni Potsdam kooperiert. Die veralteten Daten waren der Grund für die aktuelle Vermessungsaktion. Begonnen hat sie 2006, erklärt Steffen Müller.
Anna-Lena schaut den Wissenschaftler zögernd an. Obwohl der Laufsteg vor ihr nur drei Meter lang ist, wirkt die Sechsjährige verunsichert. Lichtschranken stehen rechts und links der Strecke, Müller überwacht jeden Schritt auf einem Computerbildschirm. Anna-Lena wirft einen prüfenden Blick zur Mama und dann geht es doch los: Konzentriert setzt sie Fuß vor Fuß. Müller hebt den Blick kurz vom Bildschirm: „Nicht so vorsichtig“, ruft er Anna-Lena aufmunternd zu. Sie soll an einen Spaziergang im Wald denken, erklärt er.
8300 Kinder sind bis jetzt über die als Laufsteg verkleidete „Druckmessplatte“ gelaufen und haben ihre Füße zusätzlich noch scannen lassen. Das Alter spielt dabei keine große Rolle, so Müller: Hauptsache, die Kinder gehen schon auf eigenen Füßen. Das Untersuchungsteam aus Potsdam tourt dafür durch ganz Deutschland. Im Oktober 2007 soll die Datenerhebung abgeschlossen sein, sagt Müller. Danach beginnt die Auswertung.
Für die Wissenschaftler sind die Kinderfüße auch ohne passendes Schuhwerk interessant: „Uns interessiert der Fuß von Kindern und wie er sich in der Gangbewegung verhält“, erklärt Müller. Denn genau das sei in der Forschung bisher „relativ wenig“ untersucht worden.
Im bisherigen Untersuchungsverlauf zeichne sich bereits ab, dass zum Beispiel das richtige Abrollverhalten erst gelernt werden muss. Bei kleineren Kindern wirke der Gang „tapsig“, beschreibt Müller: Das liege daran, dass sie bei jedem Schritt mit dem ganzen Fuß aufsetzen. Erst später werde das Abrollen über die Ferse und Ballen erlernt. Dieser Prozess sei jedoch nicht einfach altersabhängig: „Da gibt es große individuelle Unterschiede“, erklärt der Wissenschaftler. Außerdem verändere sich beim Gehen die „Fußgeometrie“, stellte Müller fest: Der Fuß könne sogar länger werden.
Das weiß auch Schuhverkäuferin Christin Zygar: Beim Schuhkauf für die Kleinen empfiehlt sie deshalb eine Daumenbreite Platz vor den Zehen. Darauf achten aber längst nicht alle Eltern, so Zygar: „Viele Kinder knicken ihre Zehen ein“, berichtet die Fachverkäuferin. „60 Prozent aller Kinderfüße stecken in zu kurzen Schuhen“, schreibt Schuhersteller Ricosta. Dabei gibt es bereits Schuhe in drei verschiedenen Weiten, so Zygar.
„Wir achten auf gute Schuhe“, sagt Adelheid Werner, die Mutter von Anna-Lena. Sie schaue dabei jedoch nach Sonderangeboten, „denn gute Schuhe sind relativ teuer“. Im dritten Durchgang läuft ihre Tochter, die am Wochenende eingeschult wird, bereits routiniert über den „Laufsteg“. Fehlt eigentlich nur der passende Schuh. Aber wo es den gibt, können auch die Forscher nicht klären.
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