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Landeshauptstadt: Leben an der Giftstraße

BUND: Zeppelin- und Behlertstraße Spitzenreiter/ 2500 Anwohner belastet

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Innenstadt - Die Zeppelinstraße ist auch dieses Jahr wieder die giftigste Straße der Stadt. Es folgt die Behlertstraße. Auf einer Diskussionsveranstaltung im Haus der Natur referierte Martin Schlegel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) über die „Verkehrsbelastung in Potsdam und was man dagegen tun kann.“ Seit 2005 gelten neue Grenzwerte für Feinstaubpartikel, PM 10 genannt. Für die giftigen Schwebstoffe in der Luft, zumeist Ruß, ist aber nur zur Hälfte der Autoverkehr verantwortlich. Ein großer Teil stamme aber aus „diffusen“ Quellen, wie zum Beispiel den als Dreckschleudern bezeichneten Kohlekraftwerken in der Lausitz. Auch Emissionen aus den Industriegebieten in Oberschlesien belasteten erheblich die Luft im Berlin-Brandenburger Raum, so Schlegel.

„Wir wissen, dass Ruß krebserregend ist“, betonte Schlegel. Feinstaub wäre aber auch Auslöser von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allein an den beiden „Giftstraßen“ in Potsdam wären fast 2500 Bürger direkt betroffen. Die Statistik sage, dass jeder 41. Anwohner einer belasteten Straße durch die Luftverschmutzung erkranke, so Schlegel.

Der Messcontainer auf der Zeppelinstraße verzeichnete dieses Jahr bereits 13 Überschreitungen des Tagesmittelwerts von 50 µg/m³ (Messwerte der Potsdamer Stationen: www.umweltbundesamt.de). Schlegel, Experte für Immissionen beim BUND, rechnet damit, dass im September die erlaubten 35 Ausnahmen erreicht sein werden.

Was dann einsetzen könnte, macht Berlin mit seinem Luftreinhalteplan vor. Die Hauptstadt sorgt gerade mit der Einrichtung der Umweltzone innerhalb des S-Bahn-Gürtels unter Autofahrern mit älteren Fahrzeugen für Unmut. Ab 1. Januar 2008 dürfen in diese Zone nur Fahrzeuge mit Umweltplakette einfahren. Dieser Zwang gilt natürlich auch für Fahrzeuge aus Potsdam. „Ich bin mir nicht sicher, ob das hier jeder weiß“, meinte Schlegel. Die Plakette gibt es für 5 Euro bei den Zulassungsstellen. Auch Werkstätten, TÜV und Dekra geben sie aus.

Einen vergleichbaren Maßnahmekatalog für Potsdam gibt es noch nicht. Der BUND stellt der Stadt jedoch eine relativ gute Bilanz aus. Ein Grund dafür sei, dass in Potsdam flächendeckend die abgasfreie Tram verkehre. Schlegel wies auch anerkennend darauf hin, dass im Fahrradverkehr in Potsdam nun fast „holländische Verhältnisse“ herrschten, wo er traditionell ein Drittel des Verkehrs ausmache.

Betroffenen von Feinstaub und Lärmbelastung zeigte der Jurist Michael Zschiesche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UFA) Wege auf, sich juristisch zur Wehr zu setzen. In Berlin konnten immerhin 30 von 35 Klagen, die seine Initiative Rechtsschutz gegen Luftschmutz betreute, gewonnen werden. „Auch als David kann man einen Erfolg erringen“, so der Jurist, allerdings brauche man oft einen langen Atem.

Beim BUND hoffe man, dass in der Touristenstadt Potsdam erkannt werde, wie wichtig saubere Luft als Standortfaktor sei. „Kann Potsdam ein Fahrverbot erlassen, wenn die Grenzwerte überschritten sind?“, fragte einer der zehn Zuhörer der Veranstaltung. „Ja“, waren sich die Experten einig, allerdings nur mit Zustimmung des Landes. MH

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