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Landeshauptstadt: Leben, Sterben, Trauern

Nach dem Krebstod: Hinterbliebene berichten über ihre Erfahrungen

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Jedes Jahr sterben etwa 7000 Menschen im Land Brandenburg an den Folgen einer Krebserkrankung, etwa 380 Menschen sind es in Potsdam. Sie hinterlassen Ehepartner, Kinder, Geschwister, Eltern. Für die Hinterbliebenen ist dieser Verlust traumatisch, ihr Leben ändert sich nachhaltig. Die Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung Brandenburg (LAGO) und die Deutsche ILCO (Selbsthilfegemeinschaft für Darmkrebspatienten und Stomaträger) lassen nun in der Broschüre „Unser Leben mit dem Verlust – Hinterbliebene machen Mut“ jene zu Wort kommen, die einen solchen Einschnitt in ihrem Leben verkraften müssen. Neun Menschen erzählen darin aus ihrer ganz persönlichen Sicht vom Erkranken und Sterben ihrer Angehörigen.

Einer von ihnen ist der 49-jährige Jens Uwe Meiser, der im vergangenen Jahr seine Frau verlor. Sie starb an Brustkrebs. In seiner Erzählung berichtet er von der Ohnmacht und Fassungslosigkeit angesichts der niederschmetternden Diagnose, aber auch von dem Willen, die letzte gemeinsame Zeit noch so schön wie möglich zu verbringen. „Auf dem Weg nach Hause hielten Ellen und ich an einer Weihnachtsbaumplantage an und reservierten uns den schönsten Baum. Wir versprachen uns an diesem Tag, Heiligabend gemeinsam zu feiern.“ Diesen Wunsch konnten sich beide erfüllen, Ellens Leben endete am 20. Januar.

„Das Sterben ist nach wie vor ein Tabuthema“, sagt Gudrun Thielking-Wagner, Geschäftsführerin der LAGO Brandenburg. Mit der nun vorliegenden Broschüre, die durch finanzielle Unterstützung der Krankenkassen IKK, Barmer und DAK ermöglicht wurde, wolle man dem entgegentreten, denn Sterben gehöre zum Leben dazu. „Nur wenn wir den Menschen zuhören und erfahren, welche Bedürfnisse, Nöte und Sorgen sie haben, können wir sinnvolle Projekte anstoßen, die die Versorgung verbessern“, so Thielking-Wagner. LAGO-Mitarbeiter Tino Erstling, der die Interviews mit den Betroffenen führte und sie fotografisch portraitierte, betont, dass es natürlich nicht leicht sei, über den Verlust eines geliebten Menschen zu sprechen. „Dennoch haben sich die Portraitierten gern geäußert, weil sie ihre Erfahrungen mit der Trauersituation mitteilen wollten. Sie waren sich bewusst: Anderen geht es ebenso.“ Den Betroffenen sei es wichtig gewesen, anderen Menschen in ähnlichen Lebenslagen eine Hilfestellung zu geben.

„Eine Welt brach für mich zusammen“, „Ich fühlte mich leer, ich konnte nicht einmal weinen“, „Ich war wütend auf meinen Gott“ – angesichts des Todes eines geliebten Menschen fühlen sich die Portraitierten hilflos, ohnmächtig, wütend. „Die Verarbeitung des Verlusts ist ein Prozess, der verschiedene Phasen durchläuft“, erklärt Heike Borchardt vom Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam, der zahlreiche Hilfsangebote für trauernde Menschen anbietet. „Es ist schwer zu akzeptieren, dass es ausgerechnet uns trifft.“ Die Sozialpädagogin weiß: Für Trauernde ist es wichtig, Verlust und Trauer anzunehmen und in das Leben zu integrieren, nicht dagegen anzukämpfen. Die Wege dorthin sind so unterschiedlich wie die Menschen. „Der eine stürzt sich in Arbeit, andere können erst einmal gar nicht unter Menschen gehen“, erklärte Heike Borchardt. Viele Trauernde fänden im Austausch mit anderen Betroffenen Trost und Unterstützung. Auch Jens Uwe Meiser schöpft aus regelmäßigen Gesprächen mit anderen Trauernden Kraft. „Mir ist klar geworden, dass es vielen Menschen wie mir geht und dass wir uns alle mit ähnlichen Problemen beschäftigen“, schreibt Meiser in der Broschüre. Heike Kampe

Heike Kampe

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