Landeshauptstadt: Lebende Hummer von Hoflieferant Kockert
Publikumsmagnet: „Potsdamer Gewerbe im Wandel der Zeit“
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Publikumsmagnet: „Potsdamer Gewerbe im Wandel der Zeit“ Von Erhart Hohenstein Innenstadt. „Potsdamer Gewerbe im Wandel der Zeit“ – diese Ausstellung in den Bahnhofspassagen ist auf Mundpropaganda angewiesen, denn der veranstaltende Preußenverein verzichtete auf Ankündigungen und eine offizielle Eröffnung. Dennoch haben sich die dicht an dicht angeordneten wohl an die 1600 historischen Ansichtskarten, Fotos und Annoncen als Publikumsmagnet erwiesen. Am ersten Wochenende kamen gut 1200 Interessenten, inzwischen hat die Besucherzahl die 4000 überschritten. Vereinsmitglied Siegfried Lieberenz, als Hobbymaler, Modellbauer und Sammler bekannt, hat die Kollektion zusammengestellt, die bis in die Kaiserzeit und die Epoche der Hoflieferanten zurückreicht, aber auch die DDR-Zeit nicht ausspart. Alte Potsdamer kennen noch so beliebte Einkaufsstätten wie das Kaufhaus Hirsch mit seinem erstaunlich breiten Sortiment an Konfektion, Trikotagen, Stoffen, Betten, Gardinen, Teppichen, dessen jüdische Eigentümer nach 1933 zum Verkauf gezwungen wurden und das nach einem wechselvollen Weg, in der DDR-Zeit als Möbelkaufhaus „Magnet“, heute u.a. von einer Lebensmittelfiliale genutzt wird. Vom Fischgeschäft des Hoflieferanten F. W. Kockert an der Ecke Friedrich-Ebert- und Ebräer-Straße, das in der ausgestellten Anzeige „lebende Hummern, lebende Gebirgsforellen, frischen Seelachs und Ostender Steinbutt“ anpreist, existierte bis nach 1990 noch ein Rest, wenn auch mit weitaus bescheidenerem Angebot; dann saß hier eine Bank. Manche Firmen allerdings brachten das Kunststück fertig, alle Zeitenwechsel zu überleben: Das Lederwarengeschäft Fritz Gohlke ist dafür ein Beispiel. Und die Gaststätte „Klosterkeller“, wenn nach einem Neubau in der DDR-Ära auch ohne die alten Gewölbe, war ebenfalls nicht totzukriegen. Wie 1926 kann man sich noch heute von Schellhase Bestattungen zu Grabe tragen lassen. Dagegen gibt es Barths Erstes Potsdamer Fensterreinigungs-Institut und die Teppichklopferei nicht mehr und nicht mehr die Verkaufsschau von „Sprechmaschinen Marke Phonephon“ in der Kiezstraße 13. Die Ausstellung wird von zahlreichen Potsdamern besucht, deren Vorfahren selbst einmal ein Geschäft führten. Gerade legt Ursula Hannemann alte Aufnahmen der Korbmacherei ihres Großvaters vor. Seine Werkstatt befand sich in der Berliner Straße 20, unmittelbar neben dem heute von E.dis genutzten Barockhaus, das ab 1773 de Catt, dem Vorleser Friedrichs des Großen gehörte, und in dem später zeitweilig die Familie des Widerständlers Henning von Tresckow wohnte. So erzählt jede der alten Abbildungen eine Geschichte. Sie zu entdecken, ist angesichts der Fülle der Exponate vor allem für Jüngere oder für Zugezogene nicht einfach, da Ansichtskarten und Annoncen meist nicht datiert sind. Wer Glück hat, trifft aber Siegfried Lieberenz persönlich an, der Auskünfte gibt. Dankbar ist er für die historischen Ansichtskarten, die ihm Besucher zum Ausbau seiner Sammlung übergeben. „Potsdamer Gewerbe im Wandel der Zeit“, bis 2. Mai täglich außer montags von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt frei.
Erhart Hohenstein
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