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Dr. Walter Homolka ist seit 2002 Rektor des Abraham Geiger Kollegs: „Jetzt Weichen für die Zukunft der Jüdischen Studien stellen“
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Dr. Walter Homolka ist seit 2002 Rektor des Abraham Geiger Kollegs: „Jetzt Weichen für die Zukunft der Jüdischen Studien stellen“ Der Eingang zu der Büroetage des Geiger Kollegs über der legendären Berliner Paris-Bar klemmt. Die Tür ist verzogen. Einen Tag vor dem Gespräch wurde eingebrochen. Gestohlen wurde außer einem Laptop voller Daten nichts, nicht mal das vorhandene Bargeld. Unaufgeregt spekuliert der Rektor des zur Universität Potsdam gehörenden Rabbinerkollegs, Dr. Walter Homolka, über die Auftraggeber des Einbruchs. Genug Anfeindungen gegen das liberale Judentum gäbe es ja. Längst haben die Diskussionen über die Existenzberechtigung liberaler jüdischer Gemeinden und die Infragestellung der Idee der jüdischen Einheitsgemeinde in Deutschland polarisierende Züge angenommen. Aufgrund eines Abkommens mit der Bundesregierung werden seit 2003 jährlich drei Millionen Euro direkt an den Zentralrat der Juden gezahlt, von denen, wie Homolka erläutert, weder die liberalen jüdischen Gemeinden, noch das Rabbiner-Kolleg einen Anteil bekämen. Die Verteilung der staatlichen Gelder durch den Zentralrat schaffe Juden erster und zweiter Klasse in Deutschland, so Homolka. Sein Engagement für das liberale Judentum sieht der Rabbiner auch als Kampf gegen diese Ungerechtigkeit, die zudem die historische Tatsache ignoriere, dass vor der Shoa das Reformjudentum in Deutschland bestimmend gewesen sei. Örtlich ist das Abraham Geiger Kolleg gespalten. Während der größere Teil der Ausbildung an der Universität Potsdam angeboten wird, befindet sich das Büro des Kollegs in Berlin. Logistisch sei es sinnvoll, die Verwaltung im Zentrum Berlins zu haben, erklärt Rabbiner Homolka. Seit zwei Jahren ist er Rektor der einzigen Rabbinerausbildungsstätte in Europa. Der knapp 40-jährige Homolka mag notwendigen Diskussionen nicht aus dem Weg gehen. Zielstrebigkeit könnte auch als sein Lebensmotto gelten. Nachdem er Philosophie und jüdische Theologie, Erwachsenenpädagogik und Wirtschaftsethik in München, Leipzig, London und Wales studiert hatte, promovierte er mit 26 Jahren zum ersten Mal. Den zweiten Doktortitel erwarb er zwei Jahre später, um dann im folgenden Jahr noch einen weiteren Magisterabschluss nachzureichen. Parallel zu den akademischen Abschlüssen arbeitete er in der Wirtschaft, zunächst als Investmentbanker, später in der Medienwirtschaft. So wie er seiner universitären Ausbildung immer neue Fachgebiete hinzufügte, wechselte er auch immer wieder seine berufliche Perspektive. Für ein Berufsleben in der Industrie ist Beweglichkeit wichtig, findet Homolka. In den ersten Jahrzehnten des Arbeitslebens sollte man ruhig alle 4 bis 5 Jahre neue Herausforderungen annehmen, um ständig dazuzulernen. Rein rechnerisch würde das Rabbiner-Kolleg dann im nächsten Jahr ohne seine Leitung auskommen müssen, doch so genau will er dieses Prinzip dann doch nicht interpretiert wissen. Solange das Rabbiner Kolleg seine Führung brauche, werde er zur Verfügung stehen. Wenn das Schiff sich dann auf freier Fahrt befände, könne man ja an andere Aufgaben denken. Im Augenblick verlange das Rektorat aber seine konzentrierte Aufmerksamkeit, gilt es doch gerade jetzt die entscheidenden Weichen für die Zukunft zu stellen. Das akademische Fundament der Ausbildung, die Jüdischen Studien an der Universität Potsdam, müssten neben der kulturwissenschaftlichen Ausrichtung auch den judaistisch-hebraistischen Erfordernissen genügen. Besonders die momentan vorhandene hebräisch-aramäische Sprachausbildung sei für die zukünftigen Rabbiner völlig unzureichend. Um die Besonderheit des interdisziplinären Studienansatzes in Potsdam zu erhalten und trotzdem eine fundierte jüdisch-theologische Ausbildung zu ermöglichen, favorisiere er eine eigene Organisationseinheit, außerhalb der Philosophischen Fakultät, die künftig eine Palette von Studienarten bieten soll. Zur Zeit kann im Rahmen der Jüdischen Studien nur ein Magisterstudiengang absolviert werden, was durch die Nebenfächer einen bedeutenden Mehraufwand für die zukünftigen Rabbiner darstelle, die sich zusätzlich noch am Abraham Geiger Kolleg in Seelsorge und Gemeindepraxis ausbilden lassen müssen. Potsdam habe die einzigartige Chance, so Homolka, europaweit Modellcharakter für die Jüdischen Studien zu erlangen. Diesem Anspruch ist Rabbiner Homolka selbst sehr verpflichtet. In diesem Frühjahr wurde Homolka als jüngstes Mitglied in das Führungskollegium der Weltunion für progressives Judentum aufgenommen Die 1926 gegründete Weltgemeinschaft vertritt nach eigenen Angaben in 41 Ländern rund 1,6 Millionen Juden. Homolka ist als Gouverneur für Europa zuständig. Seine Funktion als Rektor des Abraham Geiger Kolleg will er in diesen globalen Zusammenhängen verstanden wissen. Fragt man Homolka nach den Idealen, die seinen Werdegang begleitet haben, wird die tiefe Verwurzelung im jüdisch-geistlichen Amt deutlich. Ob er den ersten sozialverantwortlichen Umweltfonds Deutschlands als Investmentbanker entwickelt, oder an der Spitze von Greenpeace Deutschland um den Schutz der Umwelt als absoluten Wert kämpft, stets korrespondiert dies mit seinen theologischen Auffassungen. So bunt sein Lebensweg aber auch erscheinen mag, das eigentliche Lebensziel, als Rabbiner zu wirken, liegt allen Entscheidungen deutlich zugrunde. Lene Zade
Lene Zade
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