Von Erhart Hohenstein: Legitim und machbar
Saskia Hüneke zum Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses als Landtag
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Die „Wege zum Berliner Schloss“ haben den Potsdamer Buchmarkt bisher nicht erreicht. Der Titel des im Verlag Schnell & Steiner erschienenen Bandes suggeriert, dass es nur um das Stadtschloss der Hauptstadt geht; das aber stimmt nicht. Vielmehr hat die „Gesellschaft Berliner Schloss“ unter diesem Titel, der auf einer wissenschaftlichen Tagung fußt, deutschland- und europaweit die Bemühungen um den Wiederaufbau zerstörter Residenzschlösser im Vergleich erfasst.
Der Part für das Potsdamer Stadtschloss wurde Saskia Hüneke übertragen. Als Kustodin der Skulpturensammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und als Stadtpolitikerin hat sie sich entgegen der Ansicht strenggläubiger Denkmalpfleger zur Befürwortung einer Rekonstruktion des Knobelsdorffschen Stadtschlosses durchgerungen. Sie könne akzeptiert werden, weil das Schloss für die dem Welterbe angehörende Kulturlandschaft von Bedeutung, Teil des „Gesamtkunstwerks Potsdam“ und strukturbildend für die Innenstadt sei.
Eine solche (Teil-)Rekonstruktion sei nicht nur „legitim“, sondern auch „machbar“, schreibt Hüneke. Sie weist auf die erhaltenen Bauunterlagen sowie die Skulpturen und andere Originalteile der Stadtschlossfassaden hin, die vor dem Abriss 1959/60 geborgen und in Sanssouci eingelagert wurden. Deren Wiederverwendung, die maßgenaue und fachgerechte Wiederherstellung der Außenfassaden und die Beachtung der wichtigsten Raumstrukturen nennt sie als wichtigste Kriterien. Was die Erneuerung verloren gegangener Skulpturen betrifft, so habe die Stiftung dafür bereits einen Kreis befähigter Bildhauer herangezogen. Rekonstruiert sehen möchte Hüneke ebenso die Innenhoffassaden sowie im Inneren das historische Haupttreppenhaus, Galerie und Festsaal. Beim Wiederaufbau dürfe es „keinen Sieg des funktionalen Pragmatismus“ geben.
Diese Forderung zielt auf die Irritationen, die der Architekturwettbewerb für einen Landtagsbau in den Formen und der Kubatur des Stadtschlosses ausgelöst hatte. Dafür waren zunächst fast ausschließlich modernistische Entwürfe eingereicht worden. Die Entscheidung für die historischen Fassaden sei wesentlich dem Unternehmer Hasso Plattner zu verdanken, der dafür 22 Millionen Euro spendete. Er habe damit auch dem Bürgerwillen zum Durchbruch verholfen, schreibt Saskia Hüneke. Die Stadtverordnete, die mit der Gruppe Argus bereits zu DDR-Zeiten wie nach der Wende energischen Widerstand gegen Eingriffe in das Potsdamer Weltkulturerbe geleistet hatte, sieht bei ihrem Buchbeitrag in der Ausschreibung des Vorhabens mit weitgehender Geheimhaltung eine bedauerliche Einschränkung der Bürgerbeteiligung. Umso mehr freue sie sich, dass seitdem die Bürgerbewegung, u. a. durch die hinzugekommene Initiative „Mitteschön“, einen höheren Grad der Beteiligung erzwungen habe. Nach wie vor für notwendig halte sie jedoch die Bildung eines Bürgerbeirats, der den Aufbau fachkundig begleitet.
Gegen die Nutzung des Rekonstruktionsbaus als Landtag, einer der Kritiker ist Landeskonservator Prof. Detlef Karg, finden sich in Hünekes Beitrag keine ernstlichen Einwände. Das wieder aufgebaute Berliner Schloss soll als „Humboldt-Forum“ außereuropäische ethnographische Sammlungen aufnehmen. Dort würden also künftig Tipis, Tomahawks und Federhauben der Indianer gezeigt, mokiert sich in dem Sammelband ein an der Rekonstruktion des Warschauer Königsschlosses beteiligter polnischer Denkmalpfleger. Dagegen erscheint die Verwendung des rekonstruierten Potsdamer Stadtschlosses für den Landtag durchaus als stimmig. Von hier aus ging und geht dann wieder die Macht aus: bis 1918 von den Monarchen und demnächst vom gewählten Landesparlament.
Gesellschaft Berliner Schloss (Herausgeber), Wege für das Berliner Schloss / Humboldt-Forum. Verlag Schnell & Steiner, Regenburg 2008, 280 S., 207 Abb., 44,90 Euro, ISBN 978-3-7954-2120-5
Erhart Hohenstein
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