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Von hella Dittfeld: Lehrlinge sind knapp

13. Potsdamer Gesellentag: Wirtschaftskrise kommt langsam und unterschiedlich beim Handwerk an

Stand:

„Sittenwidrig“ nennt Thomas Erdmann, Vizepräsident der Handwerkskammer Potsdam das Verhalten der Banken auch heute noch - zum Beispiel, wenn es um Umlauf- und Betriebsmittelkredite ginge. Sie hätten, obwohl sie Milliarden aus der Staatskasse zu besten Konditionen erhielten, dafür die Zinsen erhöht. Das müsse der Unternehmer nun wettmachen, während die Banken die höhere Gewinnspanne einführen. Erdmann ist Vizepräsident der Handwerkskammer und vertrat auf dem 13. Potsdamer Gesellentag am Samstag in Caputh eigentlich die Arbeitnehmerseite. Aber aus eigener Erfahrung weiß er, dass die Geldströme schon wieder in die falsche Richtung flössen. Dabei hätten speziell die Zulieferbetriebe in der Kfz-Branche und die Autoverkäufer schon erhebliche Probleme mit der Rezession. Auch im Baugewerbe gebe es nicht mehr den Auftragsvorlauf des vergangenen Jahres, während man in anderen Branchen noch nichts von der Krise merke, sagte der Handwerkskammer-Vize.

Das Teils-teils bestätigte auch Frank Seehaus, der für Iveco Nutzfahrzeuge verkauft und repariert. Der Verkauf lahme, aber im Reparaturbereich laufe das Geschäft. Kurzarbeit sei nicht angesagt und er rechne für seinen kleinen Betriebsteil mit 12 Beschäftigten und vier Verkäufern auch nicht damit.

Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, Wolfgang König, meint ebenfalls: „Noch ist die Konjunkturkrise nicht voll im Handwerk angekommen. Das wird aber im zweiten Halbjahr der Fall sein, wenn die Bürger ihr Geld fester zusammenhalten.“ Handwerkskammer und die auf dem Gesellentag zahlreich vertretenen Gewerkschafter plädieren dafür, die Ausfallzeiten für die Qualifizierung der Mitarbeiter zu nutzen und sich über die von den Arbeitsagenturen bezahlten Angebote zu informieren. Ab dieser Woche ist in Potsdam unter 37 03 300 eine Telefon-Hotline geschaltet, die über die Weiterbildungsmöglichkeiten Auskunft gibt.

Uneins ist man sich in der Handwerkskammer darüber, ob in Ausschreibungen eine Angabe über das Zahlen von Tariflohn gehört. Während Erdmann und die Gewerkschaften eine solche Angabe fordern, ist König grundsätzlich dagegen, dass ausschreibungsferne Angaben im künftigen neuen Vergabegesetz verlangt werden. Er sieht das als Vertreter der Arbeitgeberseite als einen Eingriff in die Betriebsautonomie an. Dumpingangebote durch Billiglohnfirmen könnten auch anders herauskristallisiert werden. Schon jetzt sei es nicht nötig, den billigsten Anbieter zu nehmen, sondern man könne auch jetzt schon den besten heraussuchen, meint König.

In einem anderen Punkt aber waren sich alle Seiten einig, auch Arbeitsministerin Dagmar Ziegler stimmte da zu: Die Zahl der Lehrlinge wird immer knapper und das Handwerk bekommt nicht einmal mehr so viele ab, wie es gern möchte. Deshalb, so Ziegler, müssen die Jugendlichen da abgeholt werden, wo sie die Schule entlässt. Es sei in Zukunft keine „Rosinenpickerei“ mehr möglich. „Wir müssen uns um alle Jugendlichen kümmern, um die Topfitten ebenso wie um die, die Förderung brauchen“; sagte sie und forderte das Handwerk zu solch intensiver Förderung im Lehrlingsalltag auf. Laut König nahmen Handwerksbetriebe 2008 weniger Lehrlinge auf als im Vorjahr, insgesamt mit überbetrieblicher Ausbildung waren es 1429 im gesamten Kammerbezirk. König befürchtet, dass es 2009 noch weniger werden. Abiturienten entschieden sich meist gegen das Handwerk. Sie fänden die Parameter dort unattraktiv.

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